Das Super-Sondertalent

Noch im Sommer 2010 war Mario Götze ein unbeschriebenes Blatt. Jetzt, ein Jahr später, schmettert die Fußballwelt Lobeshymnen auf den 19-Jährigen. Dabei ist Götze noch viel besser, als alle ihn machen.

Hier, an erster Stelle des Beitrags, muss ich erst einmal zugeben: Ich habe Mario Götze noch nicht oft spielen sehen. Das liegt in erster Linie daran, dass ich kein Dortmund-Anhänger bin, sondern Fan eines ganz anderen Vereins aus einem anderen Teil der Republik. Somit habe ich die Dortmunder in der Saison 2010/11 nur zwei Mal gesehen – jeweils im Hin- und Rückspiel meines Clubs gegen die Borussia. In der noch jungen Saison 2011/12 hingegen habe ich den BVB nun aber auch schon zwei Mal gesehen, nämlich im Supercup gegen Schalke und im Eröffnungsspiel der Bundesliga gegen den HSV.

Seit etwa einem Jahr schwärmen die Experten nun von Mario Götze, und weil er mir in den beiden Spielen in der letzten Saison nicht groß aufgefallen war und ich – wie beschrieben – die Borussia sonst nicht gesehen habe (außer jeweils ein paar Minuten der beiden Spiele gegen die Bayern), habe ich jetzt genau aufgepasst. Im Supercup war Götze schon ziemlich gut drauf, gegen den HSV dann noch viel besser, und das Ganze gipfelte im Länderspiel der Deutschen gegen die brasilianische Auswahl. Und ich muss sagen: Wahnsinn, der Junge. Der ist noch viel besser, als ich dachte, und besser, als ihm nachgesagt wird.

Reise ins Herz der gegnerischen Abwehr

Lange haben wir in Deutschland auf solche Instinktfußballer warten müssen. Dann kam Mesut Özil, und die Fußballfans überschlugen sich vor Freude. Ich behaupte: Götze ist jetzt schon besser als Özil. Er ist ein kompletterer Spieler, weil er schon vor dem Ballverlust des Gegners weiß, wo er zu stehen hat, in welche Räume er zu sprinten hat und wohin der Ball ungefähr kommen wird.

Wenn er den Ball hat oder wenn das Leder in seiner Nähe ist, dann denkt er nicht an den nächsten Pass, sondern mindestens an den übernächsten, aber weil er am Ball so unglaublich gut ist, nimmt er ihn oft auch mit auf die Reise ins Herz der gegnerischen Abwehr. Er ist wahnsinnig schnell, hat eine atemberaubende Technik und ist extrem torgefährlich – und er weiß, wie man Tore auflegt.

Nicht nachdenken – spielen!

Özil nimmt sich in seinem Spiel immer wieder Auszeiten. Dann wirkt er irgendwie träge und abwesend, bis ihn der nächste Geistesblitz packt und er den Ball in die Gasse spielt oder selbst auf das Tor schießt. Özil ist ohne Frage ein Sondertalent im deutschen Fußball, aber dann ist Mario Götze das Super-Sondertalent. Seine beiden Torvorlagen in der Bundesliga gegen Hamburg: Prima. Sein Tor in der Bundesliga gegen Hamburg: super. Seine Sololäufe gegen den HSV: unglaublich. Sein Tor zum 2:0 gegen Brasilien: Weltklasse. Ich sage das bewusst so. Der Junge hat tatsächlich das Rüstzeug, um ein ganz Großer zu werden, und mit seinen 19 Jahren gibt es gar nicht mehr so viel, was er noch lernen müsste. Es scheint eher darum zu gehen, seine vorhandenen Fähigkeiten zu perfektionieren. Und dann stellt er sich hin nach diesem Länderspiel und sagt, er denke während des Spiels nicht nach, sondern höchstens in der Halbzeit. Der Rest sei der pure Spaß. Man sieht es ihm an.