Der VfB ärgert die Bayern – und verliert

Der FC Bayern München holt nach der Meisterschaft und der Champions League nun auch noch den DFB-Pokal. Doch mit so viel Gegenwehr des VfB Stuttgart hatten die Münchner wohl kaum gerechnet. Erst recht nicht, nachdem sie schon 3:0 führten – und die Stuttgarter dennoch nicht locker ließen. Das Pokalendspiel aus taktischer Sicht.

Die Spieler des VfB müssen während des Endspiels in der Champions League sehr aufmerksame Beobachter gewesen sein. Wie schon der BVB in London, so versuchten die Schwaben nun in Berlin, den bayrischen Spielaufbau durch frühes Pressing schon weit in der Münchner Hälfte zu unterbinden. Das gelang überraschend gut, die Bayern ließen sich von der Spielweise der Stuttgarter überrumpeln. Im 4-4-1-1 präsentierte sich der VfB, Ibisevic störte vor allem Boateng, wenn dieser versuchte, das Spiel aufzubauen. Auch Schweinsteiger wurde von Maxim und Boka angelaufen, weswegen sich der Münchner früh nach hinten fallen ließ, um mehr Platz zu bekommen.

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Geschah dies, so formierten sich die Schwaben im Balleroberungsspiel flugs zu einem vorne breiten 4-3-3, Boka setzte Schweinsteiger weiter zu, wenn dieser mit dem Ball am Fuß im defensiven Mittelfeld zugange war. Das hatte zur Folge, dass die Münchner in der gesamten ersten Hälfte oft mit langen Bällen operieren mussten, was ihnen sichtlich nicht schmeckte. Lediglich über die rechte Seite kamen die Bayern ein paar Mal gefährlich nach vorn, wussten die Chancen aber nicht zu nutzen. Auf der Gegenseite funktionierte das Umschaltspiel des VfB ziemlich gut. Nach Ballgewinnen formierten sie auf den Flügeln Dreiecke: Traoré, Molinaro, Boka auf der einen, Maxim, Harnik und Gentner auf der anderen Seite.

Die Bayern nutzen Stuttgarts Schwächephase

Dadurch kamen sie ein paar Mal bis zur Grundlinie, die daraus resultierenden Möglichkeiten konnten sie jedoch nicht nutzen. Durch den Wechsel von Traoré und Harnik, die hin und her rotierten, besaßen die Bayern wenig Zugriff auf das Kombinationsspiel der Stuttgarter, das im Abschluss jedoch zu harmlos blieb. Ein etwas fraglicher Elfmeter, den Lahm nach einem Sprint in den Strafraum herausholte, führte dann zur Führung der Münchner. Ein guter Pass von Robben war vorausgegangen.

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Als die Stuttgarter in den ersten 20 Minuten der zweiten Halbzeit etwas nachließen, stießen die Bayern durch Gomez noch zwei Mal zu. Dem 2:0 ging ein Fehler von VfB-Innenverteidiger Niedermeier voraus, das Tor wäre sonst kaum gefallen. Das 3:0 fiel dann aus der Münchner Überlegenheit heraus und wohl auch, weil der VfB kurz den Kopf in den Sand steckte. Als aber alles nach weiteren Treffern für die Münchner aussah, weil die Stuttgarter nun wieder mehr pressten und die Bayern Platz zum Kontern hatten, köpfte Harnik 20 Minuten vor dem Ende das 1:3. Was zunächst nur nach einer kosmetischen Korrektur des Ergebnisses aussah, zeitigte bald eine ungewohnte Wirkung.

Stuttgart drängte auf das 3:3

Denn nun war es wieder der VfB, der dominierte und auf einmal sämtliche Angst ablegte, die er – seltsamerweise – in den Minuten nach der Pause zur Schau trug. Die Stuttgarter erkämpften sich zahlreiche Eckbälle und Freistöße, allesamt in guter Position, doch der entscheidende Punch fehlte noch. Er folgte dann nach einer Ecke, ausgerechnet in einer Situation, in der die Spieler des VfB vehement Elfmeter forderten, als sie meinten, ein Bayern-Handspiel im Strafraum gesehen zu haben. Sakai brachte stattdessen den Eckball auf Harnik, der Neuer im zweiten Versuch überwinden konnte. Noch mehr als zehn Minuten plus Nachspielzeit waren da zu absolvieren.

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Was dann folgte, hatte man in der abgelaufenen Saison eigentlich noch nicht gesehen: stürmende Gegner, die den FC Bayern zu einer Abwehrschlacht zwangen. Die wenigen Konteransätze verspielten die Münchner zu schlampig, der VfB kam immer und immer wieder über die Flügel, weil die Bayern das Pressing völlig aufgaben. Zwei, drei Gelegenheiten gab es noch für die tapferen Schwaben, allein ein Tor wollte ihnen nicht mehr gelingen. Von ihren Anhängern frenetisch gefeiert, sanken die Stuttgarter Spieler jedoch auf den Rasen und waren erst einmal enttäuscht, denn sie wussten, dass an diesem Tag sogar eine faustdicke Überraschung drin war gegen den FC Bayern München, der sich jetzt Triple-Gewinner nennen darf. Den Sieg gegen Stuttgart mussten sich die Rekord-Pokalsieger von der Isar jedoch hart erkämpfen. Das Finale war ein taktisch sehr interessantes und zudem über weite Strecken hochklassiges Spiel mit zwei Teams, die den Mut zur Offensive in die Tat umsetzten.