Frankreich ohne Ideen und ohne Durchschlagskraft

Frankreich hatte sich bei der EM viel vorgenommen, doch im Grunde war jedermann klar, dass sich schon mit dem verlorenen Spiel gegen Schweden das Ende abgezeichnet hatte. Immerhin musste die Équipe Tricolore dann nämlich gegen Spanien spielen, und sie verlor auch verdient. Der viel beschworene neue Teamgeist blieb bei den Franzosen erneut auf der Strecke, doch das eigentliche Problem war, dass entweder Trainer Blanc keinen taktischen Plan hatte – oder die Mannschaft diesen nicht umsetzen konnte.

Für eine Mannschaft, die ein Viertelfinale bei einer Fußball-EM gewinnen will, gibt es ein paar eiserne Grundregeln. Hinten Tore vermeiden, vorne welche schießen, Zweikämpfe gewinnen, den Ball kontrollieren, schnelle Konter fahren. Wenn diese Mannschaft dann keine dieser Maßgaben umsetzen kann, ist sie vermutlich völlig zu Recht ausgeschieden. So wie Frankreich gegen Spanien.

Wer genau hinhört, der muss zwangsläufig mitbekommen, dass die Spielweise der Spanier in Deutschland nur noch einen sehr begrenzten Freundeskreis hat. Es ist tatsächlich nicht immer ein Quell der Freude, die Ballbesitz-Taktik 90 Minuten lang zu verfolgen. Warum aber vermehrt so getan wird, als sei Spanien nun jederzeit und von fast  jedem Gegner schlagbar, bleibt schleierhaft, nachzufragen bei den Franzosen. Um Tore zu erzielen, muss man den Ball haben. Hat man den Ball, muss man diesen so vor das Tor des Gegners bringen, dass ein Torabschluss erzielt werden kann,  wobei der Torwart keine Chance haben darf, den Ball noch zu erwischen. Wenn man dann wie Frankreich in 90 Minuten nur einen Freistoß und einen Kopfball nach einem Freistoß auf das Tor bringt, darf man sich über ein Ausscheiden nicht wundern. Und Spaniens Geheimnis ist es nicht, immer nur offensiv zu brillieren – Spaniens Wunderwaffe ist eigentlich die Abwehr und das Umschaltspiel aus dieser Abwehr heraus. Nur einen Gegentreffer mussten die Iberer in vier EM-Spielen bis dahin hinnehmen, der Spitzenwert aller Teams in diesem Wettbewerb.

Die Franzosen blieben die meiste Zeit ohne Zugriff auf das spanische Mittelfeld

Es hatte sich in der Tat abgezeichnet, ein 0:2 gegen Schweden war für die Franzosen so etwas wie ein Fanal. Sie wurden nur Gruppenzweiter. Als Gruppensieger gegen Italien wäre es sicher auch nicht viel einfacher geworden, aber Spanien sollte man bei einem Turnier immer noch bis zum Finale zu vermeiden suchen. Doch Frankreich musste sich in diese Begegnung fügen, Trainer Laurent Blanc indes bot ein 4-5-1-System auf, um die spanische Dominanz in der Mitte des Feldes zu brechen; immerhin spielen dort Xabi Alonso, Xavi Hernandez und Sergio Busquets, manchmal gesellen die Cesc Fabregas, Andres Iniesta und David Silva mit hinzu. Doch Frankreich blieb ohne Zugriff auf die drei bis sechs spanischen Regisseure, diese kamen zwar oft nicht zu einem entscheidenden Pass, hatten das Spiel aber zu jeder Zeit im Griff. Dabei war es für Frankreich wenig hilfreich, dass das spanische 1:0 bereits nach 19 Minuten gefallen war.

Frankreich war also schon zu diesem Zeitpunkt gezwungen, das Spiel in die Hand zu nehmen, doch im Spiel nach vorn ließen „les Bleus“ fast alles vermissen, was zu gefährlichen Aktionen in Richtung Iker Casillas hätte führen können. Zumeist waren es bereits die ersten Bälle von hinten heraus, die im vielbeinigen spanischen Mittelfeld hängen blieben, oder aber die Spanier betrieben ihr Forechecking mit einer solchen Konsequenz, dass Frankreichs Defensivkräfte ein ums andere Mal den Ball verloren. Zwar versuchten Franck Ribéry und Karim Benzema mit zunehmender Spieldauer, die Spanier mit Einzelaktionen auszuspielen, doch weil sie so gut wie keine Unterstützung erhielten, war meist bei Gerard Piqué, Sergio Ramos und Sergio Busquets Schluss. Weil aber auch die Spanier nach der relativ frühen Führung keine Eile hatten, entwickelten sich zu fast keiner Zeit schnelle Gegenangriffe der Iberer, von zwei, drei Ausnahmen einmal abgesehen.

Kaum Überraschungsmomente im Spiel der Franzosen

Obwohl Spanien im zweiten Abschnitt nicht mehr tat, als es musste, hatte man doch fast immer das Gefühl, dass eher die Spanier das 2:0 denn die Franzosen den Ausgleich erzielen würden. Frankreich machte etwas mehr auf, doch nur den nun von hinten etwas weiter aufrückende Cabaye konnte für zwei, drei Überraschungsmomente sorgen, die allerdings ohne Ertrag blieben. Dann musste der französische Torhüter Hugo Lloris nach einem Traumpass aus dem Mittelfeld alles riskieren, um Fabregas am 2:0 zu hindern, kurz zuvor hatte der Franzose Debuchy Frankreichs beste Chance im gesamtem Spiel vergeben, als er eine Flanke von Ribéry über das Tor köpfte. Fortan konnte man den Eindruck gewinnen, dass Frankreich den Glauben an sich und an ein Weiterkommen nahezu aufgegeben hatte. Es sah nicht direkt danach aus, dass Laurent Blanc einen taktischen Plan hatte. Oder, falls er doch einen hatte, sah es nicht so aus, als wäre seine Mannschaft dazu imstande, diesen Plan auch in die Tat umzusetzen.

Mit der Einwechslung des quirligen Pedro vom FC Barcelona konnte Spaniens Trainer del Bosque ab der 65. Minute überdies dafür sorgen, dass die französischen Außenverteidiger sich nicht mit in das Offensivspiel einschalten konnten. Zwar hatte zuvor auch David Silva kein schlechtes Spiel gemacht, doch Pedro riss mit seiner Schnelligkeit wesentlich tiefere Lücken in den französischen Defensivverbund. So konnte es auch kaum verwundern, dass er in der 90. Minute völlig frei vor Lloris auftauchte und von Reveillere nur noch regelwidrig gestoppt werden konnte. Der Mann, der in seinem 100. Länderspiel 70 Minuten zuvor bereits das erste Tor für die Spanier erzielte, ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen und erzielte vom Elfmeterpunkt in der Nachspielzeit auch noch das zweite Tor für die Spanier: Xabi Alonso.