Im Fußball gibt es (beinahe) keine absoluten Wahrheiten

Fußball ist ein Spiel, das die Massen begeistert, weil niemand es wirklich versteht. Natürlich gibt es sehr viele Menschen, die die Regeln hervorragend verstehen. Auch die grundsätzlichen taktischen Ausrichtungen sind eingeweihten Kreisen durchaus verständlich. Zumindest ein Physiker versteht auch, warum ein Ball manchmal auf eine seltsame Weise in Richtung Tor fliegt. Aber es gibt keinen Menschen auf der Welt, der das Fußballspiel in all seiner Komplexität wirklich erfassen kann. Das ist auch gut so, denn nur deswegen ist Fußball überhaupt ein interessantes Spiel.

Viel zu viele Informationen

Ein ganz grundsätzliches Problem, dass dem Verständnis des Fußballspiels entgegensteht, ist die Vielzahl der Informationen. Als Trainer dürfen Sie froh sein, wenn Sie alle Ihre Spieler sehr gut einschätzen können. Aber eine Garantie dafür, dass Sie beispielsweise bei einer Einwechslung richtig liegen, ist das noch lange nicht. Lustig ist aber, dass jede gelungene Einwechslung automatisch dem Trainer zugesprochen wird. Dabei handelt ein Trainer bei Einwechslung bestenfalls intuitiv und bringt deswegen seine gesamte Erfahrung und sein Fachwissen mit ein. Aber seriöse Statistiken zeigen sehr schön, dass es keinen Trainer gibt, der dauerhaft mit Einwechslungen immer auch eine positive Veränderung des Spiels bewirken kann.

Die Entscheidungsalternativen werden niemals Realität

Ein prinzipielles Problem bei der Analyse des Fußballspiels besteht darin, dass es praktisch unmöglich ist zu sagen, was passiert wäre, wenn der Trainer eine andere Entscheidung getroffen hätte. Nur weil ein Einwechselspieler ein Tor geschossen hat, heißt das beispielsweise nicht, dass ein anderer Einwegspieler nicht vielleicht zwei Tore geschossen hätte. Oder vielleicht hätte der Verzicht auf eine Einwechslung dazu geführt, dass die Mannschaft sogar drei Tore geschossen hätte. Da es keine Möglichkeit gibt, diese alternativen Entscheidungsoptionen realistisch zu bewerten, muss der Trainer damit leben, dass die Bewertung ausschließlich vom Resultat abhängig gemacht wird. Es gibt leider auch keinen anderen tragfähigen Ansatz, um eine Trainerentscheidung zu bewerten.

Viele Wege führen zum Erfolg

Otto Rehhagel ist zu einer Zeit, als die ganze Fußballwelt bereits von Viererkette und Raumdeckung schwärmte, mit einem Libero Europameister mit Griechenland geworden. Am Ende zählt im Fußball, und das ist eine der schlimmsten und wahrhaftigsten Floskeln im gesamten Fußballsport, nur der Erfolg. Oder um es anders zu sagen: „Wer gewinnt, hat Recht!“ Das ist übrigens auch die Methode, mit der sich neue Spielsysteme und Taktikkonzepte durchsetzen. Erst wenn ein Trainer mit seiner Mannschaft zeigt, dass sein Spielsystem den alten Systemen überlegen ist, wird das als überzeugendes Argument angesehen. Auch die besten Argumente zählen im Fußballsport nichts, wenn die Ergebnisse nicht stimmen.

Als Trainer einen eigenen Weg gehen

Wahrscheinlich ist es heutzutage keine gute Idee mehr, zumindest in hohen Spielklassen mit einem Libero zu spielen. Aber vielleicht haben Sie eine wunderbare Idee, um mit einer ganz neuen Libero-Interpretation die Fußballwelt zu revolutionieren. Jedenfalls sollten Sie sich nicht einreden lassen, dass es nur noch 4-2-3-1 gäbe. Das Schöne am Fußballsport ist, dass es einen ständigen Wandel gibt. Sie können ganz sicher sein, dass in zehn Jahren die heutigen Spielsysteme nicht mehr modern sein werden.

Wenn Sie sich von Ihren eigenen Fähigkeiten leiten lassen und, das ist besonders wichtig, auf die individuellen Stärken und Schwächen ihrer Spieler eingehen, können Sie Ihr ganz eigenes Spielsystem und ihre ganz eigene Taktik entwickelt. Vielleicht handelt es sich dabei dann nur um eine Variation populärer Vorbilder. Aber durch eine offene und flexible Herangehensweise haben Sie wesentlich bessere Chancen, ein erfolgreicher Trainer zu werden. Alle guten Trainer haben nämlich einen eigenen Weg zum Erfolg gefunden. Das betrifft übrigens nicht nur Spielsysteme und Taktikkonzepte, sondern auch den Umgang mit Spielern. Als Trainer müssen Sie über genügend Selbstvertrauen verfügen, um auf der Basis eines soliden Fachwissens eigene Entscheidungen zu treffen. Sie können ganz sicher sein, dass kein anderer Trainer im Besitz einer absoluten Wahrheit ist. Deswegen können Sie auch gleich Ihre eigene Wahrheit erfinden.