Ist schlechte Leistung ansteckend? Zur sozialen Ansteckung in Fußballmannschaften

Martin Boss, Diplom-Sportwissenschaftler am Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln

Nahezu jeder Spieler, Trainer oder Anhänger einer Mannschaft wird Spielverläufe erlebt haben, bei denen ein bereits gewonnen geglaubtes Spiel doch noch verloren ging oder ein bereits verloren geglaubtes doch noch gewonnen werden konnte. Die Presse titelt bei solch dramatischen Auseinandersetzungen häufig mit „Das Spiel kippte unerwartet“ und meist bleibt es bei wagen Erklärungsversuchen.
Doch wo liegen nun die Ursachen für solche Szenarien? Konfrontiert man aktive Spieler mit dieser Frage, so stellt sich dabei heraus, das sowohl externe Faktoren, die den Schiedsrichter oder die Fans betreffen, als auch interne Faktoren, wie unklare Rollenzuweisungen innerhalb der Mannschaft, unangemessenes Verhalten einzelner Teammitglieder oder eine ungünstige Kommunikation zwischen den Spielern für ein kollektiven Versagen der gesamten Mannschaft in Frage kommen. Innerhalb der internen Faktoren ist immer wieder von „ansteckenden Effekten“ innerhalb eines Teams die Rede.
Im Bezug darauf konnte eine Forschergruppe aus Großbritannien herausfinden, dass wenn wir einen unserer Teampartner bei seinem emotional ausgelassenen (Tor-)Jubel beobachten, unsere eigenen Leistungsvoraussetzungen und schließlich unsere eigene Leistung steigt. Sie begründen: Wenn wir eine positiv-konnotierte emotionale Reaktion von einem unserer Teampartner beobachten, erhöht das unser eigenes Selbstbewusstsein und löst gleichzeitig Antizipationen aus, das Spiel als Team zu gewinnen.
Doch was passiert bei der Wahrnehmung negativ-konnotierter Verhaltensweisen, z. B. wenn einem Teampartner völlig unerwartet vermeidbare Fehler passieren? Interessanterweise führt dies nicht direkt dazu, dass dadurch das eigene Selbstvertrauen beeinträchtigt wird – vielmehr verändern sich die Beziehungsqualitäten innerhalb des Teams, weil die schlechte Leistung des Partners eine hohe Frustration über den Partner und dessen Leistung auslöst. Dass negative Beziehungsqualitäten mit schlechterer Teamleistung einhergehen, ist sehr plausibel und gilt allgemein als bestätigt: Studien zeigen nämlich, dass je geringer der Zusammenhalt innerhalb einer Mannschaft ist, desto geringer ist auch deren Leistung – das gleiche gilt auch umgekehrt.

Dass sich unser Selbstbewusstsein erhöht, wenn wir eine gute Partnerleistung beobachten, und dass wir Beziehungsqualitäten abwerten, wenn wir eine schlechte Partnerleistung wahrnehmen, ist begründet durch selbstwertschützende Bewertungsmustern: Wir versuchen uns die Dinge, die wir wahrnehmen, stets so auszulegen, dass es günstig für uns, unser Selbstbewusstsein und unseren Selbstwert ist. Eine gute Leistung des Partners nehmen wir als Vorbild, das uns aufbaut, eine schlechtere Leistung des Partners weisen wir von uns und machen allein den Partner dafür verantwortlich.

Für die Praxis lassen sich aus diesen Prozessen Hinweise ableiten: Gelungene Aktionen sollten gefeiert werden, denn ausgiebiges Demonstrieren von Stolz verbessert die Leistungsvoraussetzungen des eigenen Teams und schwächt die der gegnerischen Mannschaft. Nicht gelungene Aktionen sollten nicht zu übermäßigem Ärger über den betroffenen Teampartner führen, da das ebenso die eigenen Leistungsvoraussetzungen ungünstig beeinflusst – eher sollte man an der eigenen Frustrationstoleranz arbeiten und seine Teampartner positiv bestärken.