Keine Chance gegen Italien

Immer verliert Deutschland ein entscheidendes Spiel, das 1:2 gegen Italien ist im Ergebnis fast noch schmeichelhaft. Gefühlt war es eher ein 0:4, weil die Squadra Azzurra auch am Ende die weitaus besseren Chancen besaß. Der taktische Plan des Bundestrainers Joachim Löw lautete: Toni Kroos als zusätzlicher Sechser lähmt Italiens Mittelfeld, doch das hatte zur Folge, dass die Außenpositionen verwaist waren – und dass die Deutschen zu keiner Zeit „ihr“ Spiel durchbrachten.

Als die deutsche Aufstellung bekannt wurde, haben sich mit Sicherheit viele deutsche Beobachter gefragt: Kroos? Wieso denn nur Kroos? Warum drei so genannte Sechser, warum ließ Löw nicht wieder den gegen die Griechen so starken Reus spielen? Viele italienische Beobachter hingegen dürften gedacht haben: Aha, die Deutschen wollen das Spiel in der Mitte entscheiden, aber dort ist Italien die bessere Mannschaft. Und in Kürze zusammengefasst muss man sagen, dass Löws Taktik wohl selten so grandios schiefging wie an diesem Abend der Halbfinalpaarung gegen den Weltmeister von 2006. Noch ist nicht ganz klar, ob die Taktik der Deutschen die Ängstlichkeit bestimmte, mit der sie agierten, oder ob eine gewisse Angst vor Italien die Taktik erst hervorrief. So oder so, mit dem 2:1 für clevere, vor allem aber sehr gut spielende Italiener waren die Deutschen noch ziemlich gut bedient.

Sehr viel Platz gab es auf der rechten deutschen Seite, weil weder Reus noch Müller aufgeboten waren, sondern weil Kroos als zusätzlicher Bewacher für Andrea Pirlo eingesetzt wurde – ein Missgeschick, wie es Löw in seiner Zeit als Bundestrainer bis dato noch nicht passiert war. Anstatt das Spiel über die Außen zu forcieren, versuchte Deutschland es immer und immer wieder durch die Mitte, was zu Beginn wenigstens ein paar halbwegs gefährliche Situationen erzeugte. Doch nach zehn Minuten war Italien im Bilde, Regisseur Pirlo holte sich die Bälle hinten ab und verteilte sie, gemeinsam mit Daniele de Rossi, Riccardo Montolivo und Claudio Marchisio,  immer wieder so, dass Deutschland nicht darauf zugreifen konnte. Und weil den Deutschen ein Mittelfeldspieler auf rechts fehlte, spielte Italien dann eben auch oft über die eigene linke Seite. Dort hatten die Blauen Platz, Zeit und mit zunehmendem Spielverlauf einen Montolivo, der an diesem Abend einfach keinen Fehler machte.

Konfuse Laufwege und ein Sechser zu viel

Wer vorher dachte, Italien würde sich hinten einigeln und nur auf Konter setzen, der sah sich getäuscht. Bei eigenem Ballbesitz ließen die Azzurri die Deutschen laufen, und diese Laufwege waren so konfus, dass es zeitweise aussah, als ob Deutschland nicht wusste, was zu machen war. Stets hatte Montolivo zu viel Platz, und sobald sich ein oder zwei deutsche Spieler in seine Nähe gesellten, spielte der Italiener seinen Teamkameraden Pirlo an, dem auch an diesem Abend nicht beizukommen war. Teilweise umringt von zwei oder drei weißgekleideten Spielern, gelang Pirlo immer ein Pass, drehte er immer eine Pirouette, setzte er immer einen gut postierten Mitspieler in Szene. Und die Deutschen vergaßen, wie sie zuvor bei der EM gespielt hatten.

Anders ist es nicht zu erklären, weswegen Deutschland sich dem Spiel der Italiener unterordnete, warum Löws Mannschaft darauf verzichtete, flüssig zu kombinieren und in den Strafraum einzudringen. Drei Sechser waren gegen Italien einer zu viel, und aus taktischer Sicht bleibt rätselhaft, weswegen der Bundestrainer bis zuletzt an diesem System festhielt. Schweinsteiger und Kroos – wer von diesen beiden den Platz hätte verlassen müssen zu Gunsten eines Flügelspielers ist müßig zu diskutieren. Zwar brachte Löw nach der Pause Reus für Podolski und tauschte Gomez gegen Klose aus, doch am System änderte das nichts. Vermutlich hoffte der Bundestrainer, dass Schweinsteigers Knoten, den er während des gesamten Turniers mit sich herumtrug, doch irgendwann platzen würde. Doch das geschah zu keiner Zeit, mit zunehmender Spieldauer wirkte der Mann von Bayern München mehr und mehr fehl am Platz. Sein Neben-Sechser Kroos immerhin konnte in der zweiten Hälfte versuchen, kreativer zu werden, als der öfter auf links zu sehen war, doch auch Kroos fiel kein entscheidender Schachzug ein.

Deutschland war unkreativ und ideenlos

Einzig Sami Khedira war es von allen Mittelfeldakteuren, der das Spiel an sich riss, zumindest zu Beginn. Da glänzte der Madrilene und holte sich Selbstvertrauen, doch nichts davon strahlte auf den Rest der Mannschaft ab. Und so kam es, dass auch bei ihm irgendwann die Erkenntnis reifte, dass er allein nichts würde ausrichten können gegen diese italienische Mannschaft. Özil verzettelte sich bei fast allen Aktionen, und es gab niemanden, der für einen überraschenden Moment sorgte. Es wurde kurzzeitig besser nach der Pause, als Klose und Reus hereinkamen und durch ihr Laufspiel für einige Minuten Löcher in Italiens Defensive rissen, doch war dieser Effekt zu schnell wieder verpufft – Italien stellte sich nach zehn gespielten Minuten in der zweiten Hälfte darauf ein.

Damit war schon recht früh klar, dass Deutschland den 0:2-Rückstand kaum noch würde egalisieren können, zu gut war Italien an diesem Abend, zu unkreativ und ideenlos war Deutschland. Das 1:2 durch Özils Elfmeter kam viel zu spät, als dass die Italiener noch einmal hätten nervös werden können. Zurück blieb die Erkenntnis, dass die Deutschen dieses Halbfinale gegen Italien wieder einmal verdient verloren haben; gegen ein Italien, das nicht nur cleverer war als Deutschland, sondern auch spielerisch die meiste Zeit überlegen. Und Löws Taktik konnte nichts dagegen ausrichten.