Puzzle mit unpassenden Teilen

Die Aufgabe für Ralf Rangnick auf Schalke könnte deutlich schwieriger werden, als er selbst wohl befürchtet hätte. Vor allem mit dem Top-Star der Königsblauen gibt es Ärger.

Raúl González Blanco hat am ersten Spieltag der Bundesliga 90 Minuten Fußball gespielt, es ist dem Spielberichtsbogen zu entnehmen. Gut, das ist einfach herauszufinden. Schwieriger ist es da schon, als Laie die Zahl seiner Ballkontakte herauszufinden, allerdings hilft der Blick ins Internet oder in den Videotext. Der ZDF-Text wies Raúl mit 48 Ballkontakten aus, nur Höwedes (49), Höger (78), Jones (56) und Fuchs (88) waren öfter im Besitz des Spielgeräts. Die Schalker hatten ein wenig mehr Ballbesitz und konnten knapp 52 Prozent der Zweikämpfe für sich entscheiden.

76 Prozent seiner Pässe brachte Raúl an den Mann, und unter dem Kürzel TS – es steht für Torschüsse – steht nüchtern eine 1. Es war dies übrigens ein Kopfball aus zwölf Metern, den der Spanier in der ersten Halbzeit neben das Tor setzte. Apropos erste Halbzeit: Im Kommentar der ARD-Sportschau hieß es, Raúl habe im ersten Durchgang nur neun Ballkontakte gehabt. Womit wir bei einer Zahl sind, die recht aussagekräftig ist.

Neun Ballkontakte in 45 Minuten

Schalkes Trainer Ralf Rangnick nämlich hält es derzeit für richtig, den gelernten Stürmer als Nummer zehn hinter den Spitzen aufzubieten. Es ist eine Position, auf der man nicht sehr oft direkt vor des Gegners Tor kommt, dafür ziemlich viel Defensivarbeit verrichten muss, jedenfalls wenn man eben ein gelernter Stürmer ist. Nun muss man sicherlich dazusagen, dass es der VfB Stuttgart, Schalkes Gegner, den Königsblauen nicht eben leicht gemacht hat am ersten Spieltag dieser neuen Saison. Aber wie um alles in der Welt kommt ein Spieler in einer so zentralen Position auf nur neun Ballkontakte in den ersten 45 Minuten?

Oft sah es ein wenig lustlos aus, wie Schalke sich über den Platz verschob; defensiv war die Leistung zwar nicht so schlecht, wie ein 0:3 vermuten ließe. Doch das Umschalten auf Angriff funktionierte so gut wie gar nicht. Raúl, ein für sein Alter immer noch sehr schneller Mann, darf sich aufgrund seiner Position nicht todesmutig in vorderster Front freilaufen, wie er es als echter Stürmer zu tun pflegt. Er gäbe damit die Zentrale frei, womit die Achse von Position IV über die VI bis zur X zusammenbricht. Nun war es in Stuttgart allerdings so, dass diese Achse mit dem 34-jährigen Madrider in der offensiven Mitte auch dann nicht funktionierte, wenn Schalke den Ball hatte. Was das für Rangnick bedeutet, ist klar: die Automatismen greifen noch gar nicht, da kommt noch viel Arbeit auf ihn zu. Doch das ist nicht das einzige Problem, das sie in Gelsenkirchen derzeit haben.

Ein Vertrauensbeweis sieht anders aus

Denn es gibt eine andere große Baustelle, und auch diese hat wieder eine Menge mit Raúl zu tun. Oder mit seinem Berater, so genau lässt sich das nicht trennen. Aus Schalke hört man, dass es Misstöne geben soll zwischen dem Spanier und Trainer Rangnick, Raúl redet nicht darüber, aber intern soll er deutlich gemacht haben, nicht auf der „Zehn“ spielen zu wollen. Der Verein ist, wie fast immer, in Unruhe. Hatte Raúl vergangene Saison noch am wenigsten für das schlechte Abschneiden der Schalker gekonnt, so scheint er nun dazustehen als Diva mit Ansprüchen.

Vermutlich hat er die Gefahr, nicht mehr im Sturm gesetzt zu sein, aber schon länger gewittert – immerhin haben die Schalker im Juli mit Ciprian Marica einen weiteren zentralen Angreifer verpflichtet. Und dann gibt es da ja auch noch Klaas-Jan Huntelaar. „In Sachen Raúl müssen wir uns entscheiden, was sportlich und finanziell das Bestmögliche für den Verein ist“, ließ sich der Schalker Manager Horst Held in der Woche vor dem Ligastart in der „Sport-Bild“ zitieren.

Vertragsverlängerung? Nicht sehr wahrscheinlich

Das klingt nicht nach viel Vertrauen, das sich der Spanier durch die starke letzte Saison mit 13 Toren und vier Vorlagen eigentlich erworben haben sollte. Und das lässt im Prinzip nur einen Rückschluss zu, nämlich den, dass in Rangnicks langfristigem Konzept für den früheren spanischen Nationalspieler kein Platz zu sein scheint. Dass Raúl über seinen Berater die Versetzung ins Mittelfeld mehr oder weniger stark kritisiert, verwundert indes, ließ er sich doch bereits unter Magath aus der Sturmspitze öfter dorthin zurückfallen, um sich die Bälle zu holen. Ein Schachzug, der Schalke bis ins Halbfinale der Champions League gebracht hat.

Es sieht demnach so aus, als sei es um das Verhältnis von Raúl González Blanco zu Ralf Rangnick nicht gut bestellt. Und womöglich bedeutet der oben zitierte Satz des Managers, dass eine Vertragsverlängerung über die Saison 2011/12 hinaus aktuell alles andere als höchst wahrscheinlich ist. Vielleicht kann Schalke sich Raúls Gehalt ohne die Einnahmen aus der Champions League nicht länger als ein Jahr leisten – und das wäre ein erneuter Hinweis darauf, dass neben der sportlichen auch die finanzielle Gesundung des FC Schalke 04 nur schleppend vonstattengeht.