Rot zu Himmelblau

Ausgerechnet Manchester City, der von Scheichs finanzierte Club, hat dem Erzrivalen Manchester United die höchste Heimniederlage in dessen Geschichte in der Premier League zugefügt. Die Wachablösung in England scheint vollzogen, doch in Europa muss sich der Club um vieles mehr sorgen als nur um die aktuellen sportlichen Probleme in der Champions League.

Aus rein sportlicher Sicht hätte es für Manchester United, genannt ManU, kaum besser laufen können. Beseelt gingen die 75.000 Fans, sofern sie Anhänger der „Red Devils“ waren, um kurz nach halb vier an diesem Wochenende nach Hause. Sie hatten ein rassiges Stadtderby gesehen, Wayne Rooney hatte es mit seinem Treffer 13 Minuten vor Schluss entschieden. Von den letzten sechs Stadtduellen hatte ManU nun fünf gewonnen, eines endete 0:0.

Diese Bilanz ist nun Geschichte, weil die „Citizens“ am 23.10.2011 mal wieder in Old Trafford gewannen, und wenn es ganz schlecht läuft für ManU, dann wird sich bald niemand mehr daran erinnern, dass einst die Roten die vorherrschende Macht waren in der Universitätsstadt. 1:6 hieß es nach 90 grausamen Minuten für die ManU-Fans, die Hohn und Spott über sich ergehen lassen mussten; zwei Mal hatte Balotelli getroffen, zwei Mal Edin Dzeko und je einen Treffer steuerten David Silva und Sergio Aguero bei. Zehn Minuten vor dem Ende hatte Darren Fletcher für die nach einer Roten Karte gegen Jonathan Evans eine Halbzeit in Unterzahl agierenden Gastgeber mit dem 1:3 noch einmal Hoffnungen beim Anhang von United geweckt, die allerdings regelrecht zerschmettert wurden.

Nach und nach mit Stars aufgefüllt

Vielleicht wäre die Höhe dieses Sieges für Man City gar nicht das Problem für United, müssten sie in Old Trafford nicht befürchten, dass da in Manchester gerade ein Machtwechsel vollzogen werden könnte, ein Machtwechsel von Rot zu Himmelblau. Es wäre gleichzeitig ein Machtwechsel für den englischen Clubfußball, weil United vier der letzten fünf Titel geholt hat, nur einmal, 2009/10, waren die „Blues“ vom FC Chelsea am Ende die Nase vorn – um genau einen Punkt. Man City hingegen belegte 2006/07 Platz 14, das Jahr darauf Platz neun, dann Rang zehn, in Chelseas Meisterjahr dann Platz fünf und vergangene Saison schließlich Rang drei, mit neun Punkten Rückstand auf den Meister und Erzrivalen.

Von diesen Tabellenplatzierungen lässt sich auch ableiten, dass auf der hellblauen Seite Manchesters in den vergangenen Jahren etwas passiert sein muss, und wer sich nur hin und wieder ein wenig mit dem englischen Clubfußball befasst, weiß natürlich, was gemeint ist. 2008 nämlich hat ein Investmentunternehmen aus Abu Dhabi den Verein, der 1880 gegründet wurde, für etwa 185 Millionen Euro gekauft, und weil reiche Scheichs derlei Dinge selten aus purer Freude machen, sondern Erträge sehen wollen, haben sie den Club nach und nach mit Stars aufgefüllt. 2008 kamen Vincent Kompany und Pablo Zabaleta, 2009 Kolo Touré, Nigel de Jong, Carlos Tevez und Gareth Barry, 2010 transferierten die Emire Yaya Touré, David Silva, James Milner und Mario Balotelli zu Man City, und 2011 schließlich landeten Gaël Clichy, Owen Hargreaves, Sergio Agüero und Edin Džeko in der mittelenglischen Industriestadt. Jetzt, nach dem neunten Spieltag, liegen die Citizens mit acht Siegen und einem Unentschieden bereits fünf Punkte vor dem Stadtrivalen ManU und sechs Punkte vor den weiteren Verfolgern aus Chelsea und Newcastle. Man City weist dazu ein beinahe unglaubliches Torverhältnis von 33:7 auf. Wenn City einmal Meister werden sollte, werden die Scheichs ihre Strategie bestätigt sehen – und neue Millionen nachlegen. Dazu dürften bei einer halbwegs stetigen Entwicklung in den kommenden Jahren wohl regelmäßig die Gelder aus der Champions League kommen und den City-Supportern neue Stars bescheren.

Es droht eine schwierige Gratwanderung

Doch werden die Investoren vorsichtig sein müssen, schließlich gilt seit dem Sommer UEFA-weit das so genannte Financial Fairplay, demzufolge Clubeigner die Verluste, die ein Verein erwirtschaftet, nicht länger abfangen dürfen; bei Man City waren das in der Spielzeit 2010/11 noch 150 Millionen Euro. In drei Stufen sieht der Plan der UEFA nun vor, dass dieser Betrag auf null Euro gesenkt wird, übergangsweise sind vorerst noch 45 Millionen erlaubt. In wenigen Jahren jedoch werden ausgeglichene Bilanzen die wichtigste Zugangsvoraussetzung für die Teilnahme am Europacup sein. Andernfalls droht der Ausschluss aus dem jeweiligen Wettbewerb.

Man City muss genau diese Missstände nun in den Griff bekommen. Das könnte eine schwierige Gratwanderung werden, denn die Fans haben sich schon daran gewöhnt, dass jedes Jahr ein paar Superstars in Manchester anheuern. Das kostet erstens in den meisten Fällen eine horrende Ablöse, allein für Edin Dzeko waren es wohl an die 35 Millionen Euro, und zweitens sind die Emire bereit, ihren Spielern wahnsinnige Gagen zu überweisen. Dabei geht es um so viel Geld, das der Verein mittels Zuschauereinnahmen, TV-Geldern, Einnahmen aus der Champions League oder Transfers nie allein erzielen könnte – also müssen vorerst die reichen Herren aus Abu Dhabi aushelfen. Dagegen sind die sportlichen Probleme von Man City in der Champions League aktuell recht unbedeutend: Nach drei Spielen stehen erst vier Punkte auf der Haben-Seite, die Citizens belegen nur Platz drei in der Gruppentabelle. Dummerweise muss Man City aber noch auswärts bei Bayern und in Neapel antreten. Es ist gut möglich, dass der Club den Einzug ins Achtelfinale nicht schafft und die dort zu verdienenden Millionen nicht einnehmen wird. Da müssten also wohl wieder einmal die gut betuchten Herren vom Persischen Golf einspringen.