(Selbst-) Reflexionsarbeit im Kontext sportpsychologischer Betreuung – auch ein Thema im Fußball!

von Moritz Anderten, Deutsche Sporthochschule Köln

Die professionelle Reflexionsarbeit richtet sich gleichermaßen an Spieler und Trainer.
Um als Sportler die Leistungsfähigkeit weiter zu entwickeln, ist das kontinuierliche körperliche Training zweifelsohne unabdingbar. Wer schneller, stärker, ausdauernder und athletischer sein will, muss sich diesem Prozess unterwerfen. Die Fähigkeit, sein Leistungspotential auch im Wettkampf entfalten zu können, hängt jedoch nicht nur von körperlichen, sondern maßgeblich auch von mentalen Kompetenzen ab. Eine Möglichkeit, die eigene Performance zu optimieren, liegt in der sportpsychologischen Reflexionsarbeit. Sie zielt darauf ab, Erlebnisse aus der Vergangenheit bewusst zu verarbeiten und Schlussfolgerungen für zukünftige Herausforderungen abzuleiten.

Übertragen auf den Fußball bedeutet sich selbstreflektieren, sich regelmäßig einer kritischen Analyse auf vier Ebenen zu unterziehen. Negative Kritik soll dann konstruktiv hinsichtlich leistungsoptimierender Veränderungsprozesse umgesetzt werden. Positive Kritik kann als Verstärker dienen, sich seiner Leistungsstärke noch bewusster zu werden.

1. Auf der „ICH“-Ebene können z.B. das eigene Verhalten in bestimmten (Spiel-) Situationen, die erlebten Emotionen und Gedanken, die eigene erbrachte Leistung, die aktuelle Rolle der eigenen Person im Gesamtkader oder das Verhältnis zum Trainer etc. Gegenstand der Reflexion sein. Sich selber zu beobachten und besser verstehen zu lernen, hilft, die eigenen Stärken zukünftig besser einsetzen und Schwächen abstellen zu können. Es gilt die Regel, zunächst sich selbst und erst dann andere zu hinterfragen.

2. Die „GRUPPEN“-Ebene hinterfragt jene Prozesse, die innerhalb der Mannschaft ablaufen. Dazu gehören z.B. der Zusammenhalt und das Zusammengehörigkeitsgefühl des Teams u.a. in Abhängigkeit vom aktuellen Erfolg. Ferner kann reflektiert werden, wie die Mannschaft sich selbst wahrnimmt (zielorientiert und ehrgeizig oder eher lässig und undiszipliniert) bzw. wie sie von außen wahrgenommen wird (konzentriert und aggressiv oder arrogant und selbstverliebt). Die Ergebnisse sollten dann mit dem gewünschten Image verglichen werden. Eine mögliche Diskrepanz aus Real- und Idealbild kann dann wieder geschlossen werden.

3. Auf der „SACH“-Ebene werden schließlich diverse Kriterien objektiviert: Was hat zum Erfolg oder Misserfolg beigetragen? Welche Faktoren waren beeinflussbar, welche nicht? Sind persönliche und Teamziele erreicht? Wo steht der Einzelne und wo steht das Team? Wie ist die Einstellung in Training und Wettkampf zu bewerten? Welche internen Konflikte bestehen? Welche Themen stehen auf der Agenda und müssen bearbeitet werden?Es empfiehlt sich auch für den Trainer bzw. das Trainerteam, sich regelmäßig unter Zuhilfenahme der dargestellten Reflexionsstruktur auseinandersetzen. Schließlich mündet die Reflexionsarbeit in der letzten Ebene:

4. Die „KONSEQUENZ“-Ebene fordert, für negative Erkenntnisse angemessene Gegenmaßnahmen zu generieren. Die Initiierung und letztlich die Umsetzung von akzeptablen Veränderungen kann wieder in die Erfolgsspur führen. Gleichermaßen sollen aber auch die positiven Erkenntnisse hervorgehoben und in den Trainings- und Wettkampfalltag integriert werden. Es ist grundsätzlich wichtig und hilfreich zu wissen, warum jedes einzelne Teammitglied und auch das Team erfolgreich ist.

Um eine möglichst hohe Qualität der Reflexion zu sicher zu stellen, kann die Zusammenarbeit mit einem geschulten Sportpsychologen sinnvoll sein. Er kann den Prozess durch die vier Phasen steuern und die Erkenntnisse des Reflektierenden bündeln. Durch verschiedene Methoden (z.B. Visualisierung auf einem Flipchart) können die Ergebnisse sichtbar und Veränderungsideen spürbarer gemacht werden.