So trainiert der FC Barcelona (Teil eins)

Dass Barça seit ein paar Jahren den besten Fußball auf der Welt spielt, wird wohl niemand ernsthaft abstreiten können, außer Jose Mourinho vielleicht. Doch was führt dazu, dass die Katalanen so dominant sind? Einblicke in das Training des besten Clubs der Welt.

FC Barcelona – der Name steht seit Jahrzehnten für offensiven und spektakulären Fußball. Und seit Pep Guardiola Trainer ist in Kataloniens Metropole, steht der Name erst recht auch wieder für Erfolg, für Dominanz, aber auch für Eleganz. Das ist alles soweit klar, und dennoch überrascht es einen immer wieder, dass Barça in nahezu jedem Spiel den Gegner nach Belieben beherrscht. Dabei wird die Mannschaft oft nur auf die Abteilung Attacke reduziert, auf Pedro, Iniesta, Xavi, Villa und – sowieso – auf Lionel Messi. Dabei lautet das Geheimnis, nein, die Formel des Erfolgs auch in Barcelona: Defense wins Championships. Dieses Team ist wahnsinnig kreativ, wenn es bei Ballbesitz nach vorn spielt, aber die wahre Begründung für die Einzigartigkeit, mit der Barça auftritt, liegt in dem Wort „Ballbesitz“.

Barcelona hat fast immer den Ball, und sie bekommen ihn auch nach einem Ballverlust schnell wieder, weil sie ein Forechecking spielen, wie es keine andere Mannschaft auf der Welt beherrscht. Woher das kommt? Die Antwort lautet: durch hartes Training, auch und gerade weil es so unglaublich einfach aussieht, wie die Offensivabteilung schon am gegnerischen Strafraum verteidigt und dort die Bälle gewinnt.

Schuften im Steinbruch

La cantera ist Spanisch und bedeutet übersetzt so viel wie Steinbruch. Dort wird geschuftet bis zum Umfallen, und in Barcelonas „cantera“ schuften sie noch ein bisschen mehr als anderswo. Steinbruch nennen sie in Spanien die Nachwuchsabteilungen der Fußballclubs, die in der katalanischen Hauptstadt La Masia genannt wird und nur ein paar Meter entfernt liegt vom Stadion Camp Nou. Von der F-Jugend an bläuen sie dort den Spielern das System des FC Barcelona ein, das alle – tatsächlich alle – Mannschaften von den Bambini bis hin zu den Profis spielen. Was in der Jugend noch nicht trainiert wird, ist das, was man inzwischen die Kommunikation per Pass nennt: Die Art und Weise, wie Xavi den Ball zu Iniesta weitergibt, enthält einen Code, den die Mitspieler und nur die Mitspieler lesen können, die Gegner nicht. Spielt er ihn einfach ein paar Meter quer, heißt das „wir warten ab“; spielt er ihn nach hinten auf Busquets, bedeutet das so viel wie „wir stehen noch nicht richtig“; verlagert er das Spiel mit einem weiten Pass auf die andere Seite, dann sagt er seinen Mitspielern um ihn herum, dass sie zu wenig laufen. Spielt er den Steilpass auf Messi, Pedro oder Villa, wissen alle sofort, dass jetzt die Post abgeht, sie müssen nachrücken.

Dass so etwas nur durch jahrelanges Training geübt werden kann, ist logisch. Bei Barça trainiert Guardiola keine Übung ohne einen Ball, Dauerlauf und Medizinball, das sind Worte, die es im Katalanischen wahrscheinlich gar nicht gibt. Die Spieler kennen so etwas nicht. Sie üben den Sprint im richtigen Moment und in die richtige Gasse, sie üben, sich danach wieder zu sortieren, und sie üben das alles meist auch noch mit dem Ball am Fuß, anders könnte es gar nicht sein, dass jeder Einzelne so unglaublich ballsicher ist, angefangen beim Torwart Victor Valdes. In die meisten Übungen ist auch noch der Torabschluss integriert, auch logisch, und das erklärt, warum Barça in der Saison 2010/11 in 38 Spielen 95 Tore geschossen hat und in den 13 Spielen in der Champions League noch einmal 30.

Hauptsache, man kann was am Ball

Schnelligkeit, Schnellkraft, Ballbeherrschung in höchstem Sprinttempo und anaerobe Ausdauer ist das, was man auf dem Trainingsgelände La Masia den Spielern wieder und immer wieder einimpft. Eine normale Fußballmannschaft, die einen Trainer hat, der Kondition bolzen lässt, bricht nach einer halben Stunde ein gegen den FC Barcelona, der die Gegner in unzählige kurze Sprints verwickelt, dann das Tempo drosselt, den Ball quer spielt und im nächsten Moment den nächsten Zweikampf im Sprinttempo angeht, alles in Atem raubender Geschwindigkeit. Nicht einmal ein Warmlaufen ist in Barcelona zu beobachten, die Spieler spielen eine Art Fangen, weil ja auch da gesprintet werden muss, abgebremst und dann wieder angezogen wird.

In Barcelona interessiert es niemanden, ob einer 1,90 oder 1,65 groß ist, ob einer eine Pferdelunge hat oder ob er breit oder eher schmächtig ist. Wer etwas mit einem Ball am Fuß anzufangen weiß, der ist richtig aufgehoben in La Masia, den Rest bekommt er durch spielerisches Training verpasst, bis ein zweiter Messi, ein zweiter Xavi, ein zweiter Iniesta dabei herauskommt, wobei man fairerweise dazusagen muss, dass alle drei einzigartig sind. Bis zum 16. Lebensjahr sehen die Nachwuchstalente bei Barça keinen Kraftraum von innen und auch später nur sehr selten, Dauerläufe und Zirkeltraining kennen sie, wenn überhaupt, dann nur als Foltermethoden aus einer anderen Welt. Und wie nun genau trainiert wird in Barcelona, stellen wir im nächsten Teil dieser Serie vor.