Soziale Einflüsse … und wie sie auch beim Fußball Verhalten und Leistung steuern

von Dr. Martin Boss (Psychologisches Institut der Deutschen Sporthochschule Köln)

Unter der Rubrik Mentaltraining wurde bereits in dem vorangegangenen Bericht (16. Juni 2013) vom Phänomen der Sozialen Ansteckung in Fußballmannschaften berichtet. Darin ist beschrieben, in wie weit die Beobachtung eines Mitspieler, der entweder eine sehr gute Leistung oder eine (plötzlich) sehr schlechte Leistung zeigt, unsere eigenen Leistungsvoraussetzungen positiv oder negativ beeinflussen kann. Die Beobachtung eines plötzlichen Leistungsbeinbruches bei einem Mitspieler wirkt sich insbesondere bei solchen Aufgaben ansteckend aus, bei denen koordinative Aspekte im Mittelpunkt steht (z.B. einen Elfmeter präzise zu platzieren, wenn unser Mitspieler zuvor seinen Elfmeter verschoss).
Bei Aufgaben, bei denen eher Ausdauerkomponenten die Leistung bestimmen (Kraftausdauer, Schnelligkeitsausdauer), scheint sich ein solcher Prozess jedoch umzukehren – hier versuchen wir einen Leistungseinbruch wieder wettzumachen. Nehmen wir beispielsweise wahr, dass einer unserer Mitspieler physisch am Ende ist oder ihm ein technischer (z.B. ein Fehlpass) beziehungsweise ein taktischer Fehler (z.B. ein Stellungsfehler) unterläuft, führt das dazu, dass wir unsere Anstrengungsbereitschaft und damit auch unsere Leistung oft noch steigern können. Diesen Prozess nennen wir Soziale Kompensation.

Oftmals reicht jedoch schon die bloße Anwesenheit anderer aus, dass wir unsere Anstrengungsbereitschaft und damit auch unsere Leistung in gewisser Weise anpassen, also unabhängig davon, ob überhaupt eine Interaktion stattfindet. Ob wir unsere eigene Leistung in Anwesenheit anderer steigern oder vermindern, hängt im Wesentlichen davon ab, ob unsere Einzelleistung für andere (z.B. für den Trainer) messbar ist. So sind beispielsweise die Anzahl verwandelter Torchancen und die Anzahl verwertbarer Flanken (Flanken trainieren) offenkundig messbar. In solchen Situationen kommt es zur Sozialen Erleichterung/Aktivierung (social facilitation). Hierbei unterliegen wir einer bestimmten Bewertungsangst, die in uns eine emotionale Erregung hervorruft. Komplexere Aufgaben fallen uns dann noch schwerer (verwertbare Flanke in einer Drucksituation), einfache Aufgaben hingegen fallen uns leichter (verwertbare Flanke in keiner Drucksituation).
Im Gegensatz dazu gibt es eine Reihe von Spielsituationen im Fußball, bei denen die Leistung nicht eindeutig quantifizierbar, also messbar, ist, beispielsweise wie anspielbereit jemand ist oder welche (aufwändigen) Laufwege er nimmt, um bestimmte Spielsituationen erst möglich zu machen. Fehlende Messbarkeit geht mit ausbleibender Bewertungsangst einher und wirkt sich daher für den Einzelnen nicht emotional erregend aus, sondern eher entspannend. Dies wiederum hat zur Folge, dass wir hin und wieder den aufwändigen Laufweg nicht nehmen oder auch nicht eine permanente Anspielbereitschaft zeigen (man versteckt sich auch schon mal hinter dem gegnerischen Spieler). Dieses Phänomen nennen wir Soziales Faulenzen.
Die genannten Prozesse können sich demnach meist sowohl positiv als auch negativ auf die Leistung auswirken. Die Vermutung liegt nahe, dass sich sämtliche Prozesse positiv auf die Mannschaftsleistung auswirken, wenn die Beziehungsqualität zwischen den beteiligten Personen innerhalb einer Gruppe sehr gut ist. So konnte einer Forschergruppe aus den USA zeigen, dass sich der Effekt des sozialen Faulenzens reduzierte beziehungsweise völlig ausblieb, wenn Personen in Gruppen agierten, die einen besonders hohen Zusammenhalt aufwiesen.