Sturz ins Ungewisse

Der VfL Wolfsburg spielt eine schlechte Hinserie, sollte sich aber nicht zu sehr wundern. Die Art und das System von Felix Magath scheinen an eine natürliche Grenze zu stoßen. Exemplarisch dafür steht der Fall eines Stürmers, der früher mal richtig gut war.

Am 17. November war es, als Patrick Helmes von Felix Magath gedemütigt wurde. Der gemeinsame Arbeitgeber der beiden Männer, der VfL Wolfsburg, stand auch da schon gehörig unter Druck in der Liga, aber Magath war das egal. Er versetzte Helmes in die zweite Mannschaft des Vereins und beschied, dort bleibe Helmes. Bis mindestens Weihnachten. Schon im September hatte er den Stürmer „wegen schlechter Laufleistungen“ (Welt Online) zu einer Geldstrafe von 10.000 Euro verdonnert. Magath führt sich in Wolfsburg zurzeit auf wie ein Diktator, was nicht nur der Fall Helmes zeigt. Helmes‘ Berater ließ sich zitieren, dass Magath mit „reiner Willkür“ herrsche, und diese Ansicht dürfte Gerd vom Bruch nicht exklusiv haben.

Magath regiert nicht mit harter, sondern mit kalter Hand. „Zynisch“ nennt vom Bruch diesen Stil, und es stimmt ja. Magath hatte erst im Sommer seinen Kader mit VW-Millionen aufgebläht, pro Planstelle in der Mannschaft gibt es drei Spieler, so etwas schafft ein beständiges Klima der Angst, zumindest zu Beginn. Und das wandelt sich um in ein Klima der Resignation, wenn ein Spieler merkt, dass er nicht nur einen, sondern sogar zwei Konkurrenten vor sich hat, an denen er nicht vorbei kommt. VW hat unlängst bekannt, dieses System weiterhin unterstützen zu wollen – Magath darf im Winter noch einmal ordentlich shoppen gehen auf dem Transfermarkt. Die Dankbarkeit für die Meisterschaft, die Magath dem Club mit dem Image der grauen Maus 2009 verschaffte, ist offenbar grenzenlos, wenn Verantwortliche gönnerhaft dabei zusehen, wie Unmengen Geld vernichtet werden.

Erst wankte die Abwehr, dann fiel sie

Magath wird ein paar Spieler abgeben, die durch seinen Rost gefallen sind, und der wird neue dafür holen, von denen am Ende der Saison wieder eine ganze Menge verlustbringend verkauft werden dürften. Doch der gebürtige Franke wäre wohl froh, wenn das das einzige Problem wäre. Fast noch eklatanter ist es, wie seine eigentlich hochkarätig besetzte Elf es nicht schafft, Magaths Taktik umzusetzen – falls es eine gibt. Es soll Trainer geben, die angesichts des namhaften Kaders denken: läuft ja eh. Beim 0:2 in Augsburg standen in Magaths Startelf die Spieler Benaglio, Träsch, Chris, Madlung, Schäfer, Josué, Salihamidzic, Hasebe, Dejagah, Koo und Mandzukic. Später eingewechselt wurden Aliaksandr Hleb und Srdjan Lakic. Damit müsste mehr, weitaus mehr drin sein als der kümmerliche zwölfte Platz, den die so genannten Wölfe derzeit einnehmen.

Zehn Punkte Rückstand auf Platz vier sind das, den der VfL eigentlich erreichen müsste, wäre er ein Club, der mit dem Geld haushalten müsste. Mit dem durch Transfers verbrannten Geld müsste schon die Champions League her, um den Kader zu finanzieren. Bei VW sieht man das offenbar nicht so eng. Apropos eng: Auf Relegationsplatz sechszehn beträgt der Vorsprung indes nur drei Punkte. 28 Gegentore hat der VfL Wolfsburg in 14 Spielen übrigens hinnehmen müssen. Das dürfte mit der Grund sein, warum Magath schon vor der Degradierung von Helmes die Defensivspezialisten Jan Polak und Sotirios Kyrgiakos aussortiert hat. Gebracht freilich hat es bis jetzt nicht besonders viel. In Augsburg genügte bereits ein sanfter Druck des bis dahin abgeschlagenen Tabellenletzten, um die Defensivreihe um Träsch, Chris, Madlung und Schäfer mehr als nur ins Schwitzen zu bringen. Denn diese Reihe wankte erst – dann fiel sie um.

Gibt es einen Matchplan?

Dass die Wolfsburger die schwächste Auswärtstruppe stellen, liegt in erster Linie an der Abwehr. Die 19 Treffer vorn sind zwar kein Zeichen überragender Offensivstärke, aber die Sechst- und Siebtplatzierten aus Leverkusen und Stuttgart haben schließlich auch erst 20 Tore erzielt. Also muss die Frage erlaubt sein, was Magath eigentlich trainieren lässt, wenn er das Verteidigungsspiel übt. Ausflüchte, dass er mit dem vorhandenen Personal zurechtkommen müsse, dürfen nicht mehr gelten – schließlich hat er Chris und Träsch im Sommer eigenmächtig verpflichtet. Genau wie den aussortierten Kyrgiakos übrigens. Magaths Taktik ist eigentlich überhaupt nicht zu erkennen. Wenn sich das nicht ändert, werden die Wolfsburger fürs Erste nicht vom aktuellen Tabellenplatz wegkommen. Am Wochenende spielen sie gegen die sich deutlich im Aufwärtstrend befindlichen Mainzer. Es würde nicht überraschen, wenn Tuchels Matchplan dem von Felix Magath überlegen ist.

Überhaupt, Matchplan. Als Magath in Hleb gegen den FCA seinen ersten Einwechselspieler brachte (62. Minute), da stand es noch 0:0. Als Lakic in der 73. kam, da stand es schon 1:0 für Augsburg – und das konnte Magaths dritter Wechsel in der 86. Minuten (Arnold) auch nicht mehr ändern. Kurz darauf schoss Kapllani das 2:0 für den Aufsteiger. Da muss sich auch ein Felix Magath fragen, ob er die Schuld immer nur auf die Spieler abwälzen kann. Neben Geldstrafen und Versetzungen in die zweite Mannschaft blieben ihm ja noch genügend Instrumente zur Demütigung. Vielleicht spielen seine Spieler aber ja auch schon ein bisschen gegen den Trainer. Allzu verwunderlich wäre das nicht. Die Situation in Wolfsburg hat ein bisschen was von einem Sturz ins Ungewisse.