Triumph nach harscher Kritik

Gegen viele Erwartungen, nicht zuletzt die eigenen, holt sich die deutsche Frauen-Nationalelf in Schweden den achten EM-Titel. Neben Kampf, Willen und spielerischen Elementen machen sich im Finale gegen Norwegen vor allem die taktischen Qualitäten der Trainer in bemerkbar.

Silvia Neid hat zwei schwere Jahre hinter sich. Bei der Heim-WM 2011 war nichts Geringeres als der Titel erwartet worden von ihr und ihrem damals so erfahrenen Team. Nach dem Aus im Achtelfinale gegen Japan, später immerhin Weltmeister, hagelte es harsche Kritik an Trainerin und Spielerinnen. In den beiden Jahren zwischen WM und EM versuchte Neid, die Truppe umzubauen, zu verjüngen. Als es in den Wochen vor der Europameisterschaft zu einer Vielzahl an verletzungsbedingten Absagen kam, war das deutsche Team zum ersten Mal seit Ewigkeiten urplötzlich kein ernsthafter Titelkandidat mehr für ein großes Turnier.

Das schien sich in der wackligen Vorrunde zu bestätigen, doch mit den beiden souveränen Auftritten im Viertelfinale gegen Italien und im Halbfinale gegen Schweden (jeweils 1:0) kam auch der Glaube an sich selbst zurück. Mit einem taktischen Kniff (Simone Laudehr im linken Mittelfeld) und einer Denkpause für Supertechnikerin Dszenifer Marozsan hatte Neid ihr Team wachgerüttelt, im Halbfinale gegen Schweden zeigte die Mannschaft die beste Turnierleistung. Und holte sich Selbstvertrauen für das Endspiel gegen Norwegen, dem man in der Vorrunde unterlegen war (0:1).

Keßler und Goeßling nach der Pause fehlerlos

Im Finale stand das Team zunächst unter Druck, der eigene Spielaufbau blieb zumeist auf der Strecke. Die Norwegerinnen organisierten ein hohes Mittelfeldpressing, Deutschland fand keine Antwort in der ersten Halbzeit. Vorn vertändelten Lotzen und Laudehr die Bälle zu oft. Mit der Einwechslung von Mittag für Lotzen (46.) änderte sich das Bild. Das Offensivspiel wurde variabler, die Aktionen klarer, die Spielzüge einfacher. Hatte Lotzen sich an diesem Tag in vielen Einzelaktionen aufgerieben, so kombinierten die Deutschen nun mehr. Was aber auch daran lag, dass Goeßling und Keßler nach der Halbzeit ein Duo auf der Sechs bildeten, das keine Fehler mehr machte und das Spiel extrem beruhigen konnte.

Die leichten taktischen Vorteile waren jedoch noch kein Sieggarant. Den Erfolg verdankten die Deutschen ihrer Torhüterin Angerer, die gleich zwei (!) Elfmeter hielt – der erste war allerdings eine klare Schwalbe. Und auch den zweiten musste man nicht geben, zu offensichtlich hatte die norwegische Stürmerin Hansen bei Cramer eingefädelt. Angerer zeigte zwei fantastische Reflexe, später wurde sie zur Spielerin des Matchs gekürt. Aus dem Spiel heraus waren die Deutschen dem 2:0 allerdings stets näher als Norwegen dem 1:1, meist war es nur der letzte Pass, der nicht kam. Oder der Abschluss war nicht klar genug, wie etwa in der 82. Minute, als die in der Mitte durchgestartete Keßler eine Hereingabe an den Außenpfosten setzte. Dann war Schluss und Deutschland Europameister.