Umstellung der Laufwege

Nach einem ziemlich holprigen Start hat sich Per Mertesacker vom FC Arsenal an die Premier League gewöhnt – sowohl in taktischer Hinsicht als auch in punkto Schnelligkeit. Nur die Laufwege und die Bulligkeit der gegnerischen Stürmer bereiten ihm noch einige Probleme, wie er selbst zugibt.

Nur eine der vier großen europäischen Ligen kennt sie nicht – die Winterpause. Während in Spanien, Deutschland und Frankreich der Ball von kurz vor Weihnachten bis mindestens zum ersten Samstag im neuen Jahr ruht, absolviert die englische Premier League im gleichen Zeitraum bis zu vier Spieltage. Zeit genug, um einmal nachzusehen, wie einer der beiden deutschen Profis inzwischen in England zurechtkommt: Per Mertesacker. Denn Robert Huth, einst Mertesackers Nebenmann als Innenverteidiger in der deutschen Nationalmannschaft, dürfte sich nach über elf Jahren auf der Insel inzwischen recht heimisch fühlen, bei seinem Club Stoke City FC ist er eine feste Größe. Mertesacker indes musste sich erst noch zurechtfinden bei den „Gunners“, einem der Topteams der höchsten englischen Spielklasse.

Dem baumlangen ehemaligen Hannoveraner und Bremer eilte beim Wechsel nach London der Ruf voraus, zu ungelenk für die schnellen Angreifer der Premier League zu sein, und am Anfang behielten die Skeptiker Recht. Mertesacker konnte dem taktisch extrem schwer zu praktizierenden Verschieben der Viererkette, wie Arsenal-Coach Arsène Wenger es verlangt, kaum folgen. Ein so genannter TV-Experte der BBC und früherer Profi von Leicester City, Robbie Savage, sagte, dass er Mertesacker nicht gut fände – schließlich habe der bei Real Madrid ja kaum gespielt. Zwar verwechselte Savage den blonden Deutschen mit dessen früheren Nebenmann in der Nationalmannschaft, Christoph Metzelder. Doch anfangs tat Mertesacker all seinen Kritikern den Gefallen und schien tatsächlich zu langsam dafür, um in der traditionell hoch stehenden Arsenal-Abwehrkette richtig aufgehoben zu sein. Ein ums andere Mal wurde er von gegnerischen Stürmern ganz einfach überlaufen.

Häufiger in Situationen Mann gegen Mann als in der Bundesliga

Doch schien er Per Mertesacker selbst schnell erkennen, wo der Hund begraben lag. Wie er der „Süddeutschen Zeitung“ sagte, ist die Umstellung auf die Premier League bei ihm vom technischen Können her kein großes Problem gewesen. An die Schnelligkeit des Spiels könnte man sich ebenfalls gewöhnen, das konnte man zumindest zwischen den Zeilen herauslesen. Einzelne Gegenspieler bereiten ihm dennoch Probleme, wie er zugibt, denn diese sind entweder extrem schnell oder einfach bullige Typen, die man nicht einfach so ablaufen könne. Also musste Mertesacker die aus der Bundesliga gewöhnten Laufwege peu à peu umstellen, was während der Saison naturgemäß nicht einfach ist. Dazu kam, dass der 1,98 Meter große Verteidiger erst zu den Gunners stieß, als bereits drei Spieltage absolviert waren und Arsenal mit einem Punkt und einer Tordifferenz von 2:10 auf dem viertletzten Platz stand. Wengers Mannschaft, vor allem der verteidigende Teil davon, war zu diesem Zeitpunkt völlig verunsichert.

In der Folge wurde Arsenal stabiler, doch nahezu jede Woche war zu sehen, dass Per Mertesackers Bemühungen, sich umzustellen, nur langsam vorankamen. Doch langsam merkte er, was Wenger von seiner Viererkette fordert: Möglichst weit weg vom eigenen Tor stehen, um die Räume im Mittelfeld zusätzlich zu verengen, das gestattet dem Gegner meist nur hohe und weite Bälle – genau das Gegenteil des Konzepts von Arsène Wenger. Der predigt One Touch Football, und dieser One Touch Football ist dem Kick and Rush, wie ihn britische Teams teils noch immer fabrizieren, haushoch überlegen. Mertesacker musste sich also nun darauf einstellen, nicht mehr so oft im Raum zu verteidigen wie früher, sondern die Situationen im Eins gegen Eins besser zu lösen.

Der entscheidende Schritt erfolgt früher

Anhand seiner Selbstanalyse, der zufolge er jetzt also die Laufwege seiner Gegenspieler neu berechnen musste, gelang ihm Schritt für Schritt die Umstellung. Noch agiert er nicht gänzlich souverän, es fehlt ihm die Selbstverständlichkeit in den Aktionen, doch ist gut zu erkennen, dass er sich nicht mehr so unwohl fühlt wie noch zu Beginn der Saison. Das Spiel nach vorn wird Mertesackers Stärke wohl eh nicht mehr werden, auch wenn ihm neulich beinahe das erste Tor gelungen wäre für seinen neuen Verein. Doch dafür hat ihn Wenger ohnehin nicht geholt.

Die physische Schnelligkeit, die ein Innenverteidiger in der Premier League eigentlich benötigt, die fehlt Per Mertesacker, das ist kein Geheimnis. Doch ist der blonde Hüne schlau genug, in einem Zweikampf seine Erfahrung auszuspielen, und diese Erfahrung trägt dazu bei, dass er im Geist meist antizipiert, was als nächstes passiert – und dann macht er den entscheidenden Schritt einfach schon ein wenig früher. Auch das ist es wohl, wenn Mertesacker von der Umstellung seiner Laufwege spricht.