Warum die Wahrheit für einen Trainer nicht immer die beste Option ist

Ein Trainer steht oft vor der Frage, ob er einem Spieler die Wahrheit sagt. Dabei wäre es zunächst einmal wichtig zu fragen, was überhaupt die Wahrheit ist. Schließlich geht es immer nur um Meinungen und subjektive Einschätzungen, abgesehen vielleicht von objektiven Leistungstests. Aber grundsätzlich geht es für einen Trainer immer darum, das Optimum aus der Mannschaft herauszuholen. Für den Mannschaftserfolg ist es aber nicht immer förderlich, wenn der Trainer zu jedem Spieler ehrlich ist. Um dies etwas genauer zu illustrieren, möchte ich einige Beispiele schildern für Situationen, in denen die Wahrheit vielleicht nicht die beste Option ist.

Beispiel 1:

Wahrheit: „Du hast nur sehr geringe Chancen auf einen Einsatz in naher Zukunft!“

Alternative: „Wenn du dran bleibst, bekommst du irgendwann deine Chance!“

An diesem Beispiel wird deutlich, dass der vermeintlich absolute Begriff der Wahrheit im Trainergeschäft sehr relativ ist. Beide Aussagen sind inhaltlich durchaus vergleichbar, aber die Wahrheit wird wahrscheinlich dazu führen, dass der Spieler seine Motivation verliert. Bei der Alternative bekommt der Spieler hingegen zumindest das Gefühl, durch hartes Training irgendwann einen Platz in der Mannschaft erobern zu können. Da ein Trainer nur Spieler brauchen kann, die motiviert sind, selbst wenn sie aktuell keine Einsatzchancen haben, ist die Wahrheit an dieser Stelle keine Hilfe, weder für den Spieler noch für den Trainer.

Beispiel 2:

Wahrheit: „Du bleibst heute draußen, weil ich dein elendes Gekicke nicht mehr sehen kann!“

Alternative: „Heute gebe ich einmal einem anderen Spieler eine Chance!“

So gerne Sie vielleicht auch die Wahrheit sagen möchten, sollten Sie doch darüber nachdenken, dass Sie mit einem solchen Satz einen Spieler extrem treffen können. Wenn Sie Wert darauf legen, dass der Spieler auch in Zukunft noch Leistung bringt, sollten Sie deswegen auf keinen Fall eine persönliche Attacke reiten. Die Alternative ist für den Spieler, der unerwartet auf die Ersatzbank muss, wesentlich besser zu ertragen, denn er bekommt das Gefühl vermittelt, dass Sie Ihn bei entsprechender Leistung wieder aufstellen.

Beispiel 3:

Wahrheit: „Wenn ich dich in der Startformation bringe, können wir gleich aufgeben!“

Alternative: „Du bist noch nicht so weit, aber ich sehe deine Fortschritte!“

Als Trainer sind Sie auch als Psychologe gefragt. Jeder Spieler in Ihren Kader verdient eine faire Behandlung. Wenn Sie der Meinung sind, dass ein Spieler nicht den Anforderungen Ihres Kaders genügt, sollten Sie sich von dem Spieler trennen, aber ihn nicht beleidigen. Solange der Spieler eine Zukunft in Ihren Kader hat, sollten Sie seine Motivation hochhalten. Vielleicht sind Sie eines Tages auf genau diesen Spieler angewiesen, beispielsweise weil eine Grippeepidemie oder einer Verletzungsserie Ihren Kader dezimiert hat.

Beispiel 4

Wahrheit: „Bleib bloß im Tor stehen, denn die Flanke fängst du sowieso nie!“

Alternative: „Du bist so stark auf der Linie: Du musst nicht bei jeder Flanke rauslaufen!“

Torhüter sind sensible Menschen, auch wenn sie sich manchmal ganz anders verhalten. Deswegen sind Sie gut beraten, einen Torhüter immer durch die Betonung der Stärken zu motivieren. Es ist kein Problem, bei einem Amateurtorhüter diverse Schwächen zu finden. Aber das hat dann meist zur Folge, dass der Torhüter anfängt über seine Schwächen nachzudenken und das alleine macht ihn dann meist schon zu einem schlechten Torhüter. Entscheidend muss für Sie sein, dass Sie eine Kommunikation wählen, bei der der angesprochene Spieler sein Verhalten so angepasst, wie Sie es sich wünschen.

Fairness hat nicht unbedingt etwas mit Wahrheit zu tun

Ganz sicher sollten Sie einen Spieler in fundamentalen Fragen nicht anlügen. Wenn beispielsweise ein Spieler den Verein verlassen muss, sollten Sie nichts anderes behaupten, nur weil dies vielleicht opportun erscheinen mag. Ein fairer Umgang mit den Spielern ist die Voraussetzung dafür, dass Sie Vertrauen in der Mannschaft finden. Nur wenn die Spieler sehen, dass Sie mit jedem einzelnen Spieler offen und fair umgehen, werden Sie von der Mannschaft respektiert.

Offenheit und Fairness sind wichtige, aber es geht nicht darum, jedem Spieler die brutalstmögliche Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Das wäre nicht einmal dann sinnvoll, wenn der Spieler den Verein verlässt und kein Spiel mehr absolvieren muss. Die anderen Spieler bekommen immer mit, wie Sie sich als Trainer verhalten. Zudem sollten Sie immer auf einem professionellen Level bleiben, selbst wenn Im Amateurbereich arbeiten. Und dazu gehört es, persönliche Animositäten und niedere menschliche Beweggründe außen vor zu lassen.

Klarheit ist nicht unbedingt Wahrheit

Ein klares Wort von Trainer zu Spieler kann manchmal angemessen sein. Es ist für einen Spieler immer ein Vorteil zu wissen, was der Trainer von ihm hält. Aber der Ton macht in diesem Fall die Musik. Was Sie vielleicht als Wahrheit im Kopf haben ist aus psychologischer Sicht nicht immer die beste Option. Wenn das für Sie einfacher ist, sollten Sie dieses Thema vielleicht so betrachten: Sie sagen zwar jedem Spieler ganz klar die Wahrheit, aber Sie verpacken die Wahrheit so, dass die Spieler und Sie ein optimales Ergebnis bekommen.