Was macht Jogi Löw eigentlich falsch?

Diese Frage mag provokant klingen, aber sie wird in den letzten Jahren immer wieder in unterschiedlichen Varianten gestellt. Wenn Deutschland wieder einmal nicht Europameister oder Weltmeister geworden ist, treten die Skeptiker auf und erklären, was Jogi Löw alles besser machen könnte. Und selbstverständlich macht auch Löw Fehler, denn schließlich ist er nicht nur Trainer, sondern auch Mensch. Aber all die Kritiker, die den Bundestrainer bei jeder Gelegenheit angehen, sollten sich vielleicht einmal daran zurück erinnern, wie die Situation der Nationalmannschaft war, bevor Jogi Löw als Assistenztrainer von Jürgen Klinsmann installiert wurde.

Nach vielen Jahren mit Berti Vogts, Rudi Völler und Erich Ribbeck hatte so mancher deutsche Fußballfan schon die Hoffnung aufgegeben, dass er jemals eine deutsche Mannschaft sehen würde, die durch Spielwitz, Kreativität und Leichtigkeit überzeugen würde. Doch dann kam Jürgen Klinsmann und löste ein Erdbeben im DFB aus. Was immer man von Jürgen Klinsmann und seinen Qualitäten als Trainer halten mag: Nur eine unbeirrbare und unabhängige Persönlichkeit wie Klinsmann war dazu in der Lage, die entscheidenden Weichenstellungen für eine bessere Zukunft der Nationalmannschaft zu stellen. Denn auch das beste Nachwuchsprogramm nutzt nicht viel, wenn der Bundestrainer die Qualitäten der Spieler nicht richtig nutzen kann.

Endlich weg vom reinen Effizienzdenken

Deutschland hat seit 1996 keinen Titel mehr gewonnen. Na und? Selbst der Titel 1996 war nicht dazu geeignet, in irgendeiner Weise anzugeben, denn das Siegtor von Oliver Bierhoff war in jeder Hinsicht eine peinliche Darbietung, aber auch irgendwie typisch für die damalige deutsche Nationalmannschaft. Mittlerweile kann man sich sogar Freundschaftsspiele der deutschen Nationalmannschaft wieder anschauen, denn wenn Özil, Götze, Reus und all die anderen jungen Wilden den Ball zirkulieren lassen, hüpft das Herz des Fußballfans vor Freude. Diese herausragenden Fußballer werden vielleicht irgendwann einmal einen großen Titel gewinnen. Aber auf jeden Fall beleben Sie die Spielkultur und kreieren ein ganz neues Image für den deutschen Fußball.

Keine Angst mehr vor schwächeren Gegnern

Mit Unbehagen denke ich an Berti Vogts zurück, der auch noch die schlechteste Mannschaft stark reden konnte. Dementsprechend ging sein Team dann auch auf den diese Spiele hinein und oftmals entstand ein fürchterlich anzusehender Grottenkick. Bei Jogi Löw ist das ganz anders. Er erwartet von seiner Mannschaft, dass sie schwächere Gegner dominiert und spielerisch auseinandernimmt. Das ist ein völlig anderer Ansatz, den Fußballtraditionalisten eher von der niederländischen oder brasilianischen Mannschaft kennen, der aber mittlerweile auch zur deutschen Fußballidentität gehört.

Spanien ist ein übermächtiger Gegner

Eigentlich gibt es nur zwei Mannschaften, die Deutschland in der Ära Klinsmann/Löw Kopfzerbrechen bereitet haben: Italien und Spanien. Bei den Italienern war es vor allem die Tagesform und bei der EM 2012 vielleicht auch der eine oder andere taktische Fehler des Bundestrainers, die zu Niederlagen geführt haben. Aber bei den Spaniern ist die Sache anders, denn Iniesta und Co. haben in den letzten Jahren den Weltfußball in einer Weise dominiert, die wohl die wenigsten Fachleute für möglich gehalten hätten. Drei große Titel hintereinander sind der Beweis dafür, dass es sich um eine außergewöhnliche Generation handelt. Gegen eine solche Mannschaft kann man in wichtigen Spielen nur mit extrem viel Glück gewinnen. Insbesondere nach dem ersten Titel 2008 sind die Spanier zudem mit einem immensen Selbstbewusstsein ausgestattet.

Irgendwann wird die Ära der Spanier vorbei sein und mit ein bisschen Glück kann Jogi Löw dann den Titel mit seiner Mannschaft gewinnen. Aber vielleicht kommt dann eine andere Mannschaft, die im Finale oder im Halbfinale einen besseren Tag erwischt oder einfach nur mehr Glück hat. Der FC Barcelona gewinnt auch nicht jedes Jahr die Champions League, obwohl er zweifellos in den letzten Jahren das beste Team in Europa gestellt hat (bis die Bayern kamen!).

Viele junge Spieler mit großer Perspektive

Die deutsche Nationalmannschaft besteht heute zu einem großen Teil aus sehr jungen Spielern, die erst am Anfang ihrer Karriere stehen. Ein Mario Götze wird vielleicht erst in 5 oder 6 Jahren seinen Leistungszenit erreichen. Ähnliches gilt auch für Mesut Özil, Marco Reus und einige andere Hochbegabte. Einige Stammspieler könnten sogar noch in den U-Mannschaften spielen. Aber Geduld ist nicht die größte Stärke des gemeinen Fußballfans. Und irgendwie sehnt sich vielleicht auch so mancher nach den Zeiten zurück, in denen Deutschland Titel gewann, aber einen fürchterlichen Fußball spielte.

Kein adäquater Nachfolger für Löw in Sicht

Jogi Löw wäre niemals Bundestrainer geworden, wenn er nicht von Jürgen Klinsmann vorgeschlagen worden wäre. Vielleicht wird der jetzige Co-Trainer Hansi Flick eines Tages auch auf diese Weise zum Bundestrainer. Viele andere Alternativen gibt es auch nicht, denn Jürgen Klopp wird Dortmund nicht so schnell verlassen, um Nationaltrainer zu werden. Jupp Heynckes wäre aufgrund seines Alters nur ein Übergangstrainer. Und dann wird es auch schon eng, denn bei aller Wertschätzung für gute Bundesliga-Trainer wie Armin Veh, Thomas Schaaf oder Thomas Tuchel: Kann sich jemand ernsthaft vorstellen, dass einer dieser Trainer in naher Zukunft die Nachfolge von Jogi Löw Bundestrainer antreten würde? Wen würden Sie vorschlagen und warum?