Werder ändert die Taktik

Mit der Verpflichtung des früheren HSV-Profis Eljero Elia von Juve beendet Werder Bremens Trainer Thomas Schaaf wohl ein taktisches Dogma. Das seit 13 Jahren, also während Schaafs gesamter Bremer Zeit, gepflegte 4-4-2 mit der Raute im Mittelfeld gehört wohl der Vergangenheit an. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das eine richtige Entscheidung.

Mehmet Ekici musste viel verbale Prügel einstecken in seiner ersten Saison für Werder Bremen. 2011 war der Spieler aus Nürnberg an die Weser gekommen. Ekici war bis zu seinem Wechsel bekannt als ein Spieler, der gern direkt hinter den Spitzen agiert, als Zehner, doch in der Werder-Raute kam er nicht zurecht. Spielte mal eher offensiv, mal eher defensiv, spielte die letzten acht Bundesligapartien gar nicht mehr. Überhaupt spielte er nur zwei Partien in der gesamten Punktrunde komplett durch. Ekici und Raute – das biss sich.

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So ist es kein Wunder, dass sich der Deutsch-Türke mit der wahrscheinlichen taktischen Umstellung auf das modernere 4-2-3-1 schnell angefreundet hat. „Mehr Anspielmöglichkeiten“ bestünden dann, das hat Ekici gegenüber mehreren Zeitungen gesagt. Das ist die eine Seite der Medaille, die andere ist die, dass sich mindestens die beiden auf Außen agierenden Mittelfeldspieler bei Ballbesitz des Gegners ebenfalls in die Defensivarbeit einbringen. Es gibt also nicht nur im Offensivspiel mehr Optionen, sondern defensiv mehr Sicherheiten – wenn die entsprechenden Spieler die Laufwege gehen. Sicherheit hinten wäre in Bremen mal etwas gänzlich Neues. 58 Gegentreffer in der letzten und gar 61 in der vorletzten Spielzeit sprechen eine deutliche Sprache.

Wer soll die Tore schießen?

Von den zwei angesprochenen Spielern, deren Defensivlaufwege künftig ebenso gefragt sein werden wie offensive Einfälle, ist einer eben jener Eljero Elia aus den Niederlanden, der schon in Hamburg von den einen als Exzentriker, von den anderen als Problemspieler bezeichnet wurde. Der andere ist der Österreicher Marko Arnautovic. Der ist seit zwei Jahren in Bremen und mit neun Treffern in 44 Spielen noch nicht so sehr als Verstärkung durch die Offensive aufgefallen. Eher durch dumpfe Äußerungen eines seiner Berater gegen Werder, durch seine mehrwöchige Verletzungspause (Innenbandriss), die er sich angeblich beim Spielen mit seinem Hund holte – und dadurch, erst im vergangenen Juni bei einem Heimaturlaub Polizisten beleidigt zu haben. Es scheint mehr eine Frage der Zeit, bis wann sich Bremens Geschäftsführer Klaus Allofs die Eskapaden von Arnautovic gefallen lässt.

Der Spielanlage des SV Werder kommt das neue System vermutlich entgegen. Doch über alle taktischen Debatten wird leicht vergessen, dass die Spielanlage keine Tore schießt. 43 Tore und 18 Assists, das sind die Werte, die allein Claudio Pizarro in den vergangenen drei Spielzeiten für Werder geliefert hat. Im Schnitt 20 Scorerpunkte pro Saison also. Claudio Pizarro aber spielt jetzt für Bayern München, im Gegenzug haben die Bremer Nils Petersen aus München bekommen. Der konnte für Energie Cottbus in den Spielzeiten 2009/10 und 2010/11 zwar 35 Tore und neun Vorlagen verbuchen – in Liga zwei. In seinem Münchner Jahr kam er nur auf zwei Tore und zwei Assists. Er konnte sich bei den Bayern nicht durchsetzen; ob er es in Bremen schafft, bleibt abzuwarten.

Werders 4-4-2 war defensiv viel zu anfällig

Derzeit sucht Werder Bremen noch immer einen Trikotsponsor für die neue Spielzeit, so wie man zuletzt keine neuen taktischen Wege gesucht hat, um das Spiel zu verändern. Arnautovic auf recht, Elia auf links, das ist womöglich das probate Mittel. Von 2007 bis 2009 haben die beiden bei Twente Enschede in genau dieser Konstellation bereits zusammengespielt, „eine in jeder Hinsicht unberechenbare Flügelzange“ sei das gewesen, schrieb die „Berliner Zeitung“ dieser Tage. Und schiebt nach, dass Werders einziger bisheriger Versuch, im 4-2-3-1 zu spielen, in der Saison 2009/10 aufgegangen sei, als Marin, Özil und Hunt hinter Pizarro agierten. Am Ende jener Spielzeit stand Rang drei für die Bremer, davon waren sie in den beiden letzten Spielzeiten (13. und 9.) meilenweit entfernt. Auch die Zahl der Gegentore damals war sehr viel moderater. Ein Hinweis darauf, dass Werders 4-4-2 schon lang viel zu anfällig war defensiv? Vielleicht auch nur ein Hinweis darauf, dass das 4-2-3-1 dem anderen, veralteten System deutlich voraus ist.

Die Raute, sie hat also ausgedient bei Werder Bremen, zumindest vorerst. Doch müssen sich die Verantwortlichen auch bewusst machen, dass auch ein großes Versprechen manchmal eben nur ein Versprechen bleibt. Arnautovic will sich schon lang ändern und erwachsen werden, aber immer wieder kommt was dazwischen. Und Elia kam in der zurückliegenden Spielzeit bei Juventus Turin, das ungeschlagen Meister wurde, nur vier Mal zum Einsatz. Zudem erweckt es den Anschein, als sei das 4-2-3-1 sehr auf die beiden Spieler angewiesen. Aber oft hat sich Werder bereits als Wundertüte erwiesen, in negativer wie in positiver Hinsicht.