„Wir sind einzigartig!“ Aber wer genau ist dieses ‚wir’?

Christian Zepp, Psychologisches Institut der Deutschen Sporthochschule Köln

Wenn Spieler von ihrer Mannschaft sprechen, wird wie selbstverständlich vom ‚wir’ gesprochen. Dabei ist häufig für die Spieler und Trainer nicht direkt greifbar, was eigentlich genau hinter diesem ‚wir’ steckt.

Das ‚wir’ spiegelt wider, dass sich Spieler zu einer bestimmten Mannschaft zugehörig fühlen, sich untereinander ähnlich sind, sich mögen und sich mit der Mannschaft und den anderen Spielern identifizieren. Für diese Identifizierungsprozesse sind Merkmale von hoher Bedeutung, die aus der individuellen Sicht der Spieler die Mannschaft charakterisieren. Diese Merkmale beschreiben wahrgenommene Ähnlichkeiten und Unterschiede sowohl innerhalb der eigenen Mannschaft als auch in Abgrenzung zu anderen Mannschaften, und werden bei jedem einzelnen Spieler im Kopf als Gesamtbild dargestellt. Dieses Bild wird auch als der Prototyp der Mannschaft bezeichnet. In der Regel teilen die Spieler dasselbe Bild der Mannschaft, wobei dies teilweise bewusst und teilweise auch unbewusst geschehen kann. Nehmen die Spieler bei ihren Mitspielern und bei der gesamten Mannschaft einheitlich die gleichen Merkmale wahr kann sich dies unter anderem auf die Identifikation mit der Mannschaft, die Effektivität und Intensität der Kooperation, den Zusammenhalt und die Führung innerhalb der Mannschaft auswirken, was wiederum Einfluss auf den Erfolg hat.

Die Befragung von fast 300 Fußballspielern hat gezeigt, dass aus Sicht der Spieler eine ganze Reihe von Merkmalen als charakteristisch für die eigene Mannschaft angesehen wird. Sortiert man diese Merkmale, zeigen sich vier übergeordnete Bereiche, in denen sich Fußballmannschaften zu beschreiben: (1) soziale Merkmale, (2) psychische Merkmale, (3) sportspezifische Merkmale und (4) ökologische Merkmale.
Häufigkeitsanalysen der Merkmalsnennungen zeigen, dass das ‚wir’ der Mannschaft besonders häufig über Merkmale beschrieben wird, welche soziale, psychische und ökologische Aspekte der Mannschaft betreffen. Dabei wird der Zusammenhalt der Mannschaft und das Gefühl, ein Team zu sein (soziale Merkmale), gemeinsam klare Ziele zu verfolgen und Spaß zu haben (psychische Merkmale) und die Zusammensetzung der Mannschaft in Hinblick auf Alter, Kadergröße, Spielerfahrung, Herkunft der Spieler (ökologische Merkmale) besonders häufig erwähnt.

Die Studienergebnisse zeigen auch, dass Spieler die häufig Merkmale nennen, welche die Zusammengehörigkeit und den Spaß innerhalb der Mannschaft beschreiben sich gleichzeitig stärker mit der Mannschaft identifizieren als Spieler, welche die Mannschaft als weniger zusammengehörig wahrnehmen.
Weiterhin scheint die Zusammengehörigkeit in kleineren Mannschaften (<20 Spieler) deutlich häufiger Teil des ‚wir’ zu sein als in größeren. Erklären lässt sich dies damit, dass in kleineren Mannschaften die Möglichkeit größer ist, dass alle Spieler miteinander reden und sich Freundschaften bilden können, die auch über den Sport hinausgehen. Für Mannschaften, die in der oberen Tabellenhälfte stehen oder deren Saisonziel ein Platz im oberen Tabellendrittel ist, sind im Gegensatz zu anderen Mannschaften vor allem auch die körperlichen und taktischen Fähigkeiten der Spieler wichtige Eigenschaften des ‚wir’. Erfolg scheint also eng damit verbunden zu sein, die sportlichen Fähigkeiten der Mannschaft als typische Eigenschaften einzuschätzen, während die Zusammengehörigkeit anscheinend etwas in den Hintergrund rückt. Wie zu Beginn beschrieben, steht der Prototyp einer Mannschaft in engem Zusammenhang mit der Identifikation der Spieler mit ihrer Mannschaft, der Effektivität der Kooperation unter den Spielern, den Zusammenhalt und die Effektivität der Führung innerhalb der Mannschaft. In der Folge lässt sich festhalten, dass der Prototyp Einfluss auf den Erfolg einer Mannschaft hat. Entsprechend ergeben sich aus den vorgestellten Studienergebnissen einige Hinweise für die praktische Arbeit mit Mannschaften. Da für die Beschreibung des ‚wir’ besonders die Zusammengehörigkeit und die Wahrnehmung positiver Emotionen wichtig zu sein scheinen, sollten diese Bereiche im Hinblick auf die Verbesserung der Identifikation der Spieler mit der Mannschaft vom Trainer gefördert werden. Um eine möglichst hohe Zusammengehörigkeit zu erreichen, sollte auch darauf geachtet werden, dass die Mannschaft nicht aus zu vielen Spielern besteht, da es in kleineren Mannschaften für die Spieler deutlich einfacher ist, effektiv und eindeutig miteinander zu interagieren und zu kommunizieren. Zusätzlich dazu sollte eine Mannschaft gemeinsam entwickelte Ziel besitzen mit denen sich alle Spieler identifizieren können, da sich diese Identifikation wiederum auf die Motivation auswirkt. Schließlich zeigen unzählige Beispiele aus dem Sport, dass meist jene Mannschaften erfolgreich sind, welche sich durch eine hohe Zusammengehörigkeit, den gemeinsamen Spaß, gemeinsame Ziele und ein positives Wir-Gefühl auszeichnen.