Wollen Sie eine faire oder eine erfolgreiche Mannschaft haben?

Schon eine einfache Frage kann für Empörung sorgen. Zweifellos ist es nicht politisch korrekt anzudeuten, dass Fairness und Erfolg Gegensätze sein könnten. Der brasilianische Weltmeister-Trainer Luiz Scolari hat vor einigen Jahren einmal die Behauptung aufgestellt, dass seine Mannschaft nur mehr Fouls begehen müsse als der Gegner, um zu gewinnen. Dafür wurde er damals heftig kritisiert, aber ganz von der Hand zu weisen ist diese Behauptung nicht. Jedenfalls gibt es wenige Trainer, die sich darüber freuen, wenn ihre Spieler in der Fairnesstabelle ganz oben stehen, in der richtigen Tabelle aber die Erwartungen nicht erfüllen.

Das Thema ist vielschichtig und es gibt ganz sicher keine einfachen Antworten. Zudem gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen bei Trainern über den Zusammenhang von Fairness und Erfolg. Jogi Löw hat seinen Nationalspielern beispielsweise konsequent abgewöhnt, unnötige Fouls zu machen, da er die Fouls als Nachteil für seine eigene Mannschaft siegt. Mitunter melden sich andere Trainer zu Wort, die diese Einstellung kritisieren. Manchmal sei es auch nötig, dem Gegner mit einem harten Foul die Grenzen aufzuzeigen.

Die Vorteile einer fairen Herangehensweise

Wenn eine Mannschaft ganz konsequent versucht, Fouls zu vermeiden und möglichst fair zu spielen, kann das durchaus erfolgreich sein. Allerdings heißt Fairness nicht, dass die Zweikämpfe ohne Körperkontakt gespielt werden. Vielmehr sollen die Spieler durch ein möglichst geschicktes Zweikampfverhalten den Ball erobern ohne ein Foul zu begehen. Deswegen gehört es zu dieser Philosophie, Grätschen nur in Ausnahmesituationen einzusetzen, also beispielsweise um einen Torschuss zu verhindern. Ansonsten werden die Spieler dazu angehalten, ihre Gegner abzulaufen. Dieses System passt sehr gut zu den modernen Formen des Pressings und Gegenpressings, da bei diesen Verteidigungsvarianten Überzahl hergestellt wird, so dass ein klassisches Tackling bei der Balleroberung meistens gar nicht nötig ist.

Die Vorteile einer unfairen Herangehensweise

Fußball ist nicht nur Taktik und Technik, sondern auch Psychologie. Wenn Ihre Mannschaft von der ersten Minute an den Gegner mit harten Fouls und Tacklings unter Druck setzt, kann sich das auf das gesamte Spiel auswirken. Auch im Profibereich ist es heutzutage immer noch möglich, einer Mannschaft den Schneid abzukaufen. Das wird immer schwieriger, weil die Schiedsrichter sehr viel früher eingreifen als noch vor ein paar Jahrzehnten, aber nichtsdestotrotz ist es durchaus machbar, durch eine „gesunde Härte“ ein Spiel zu dominieren. Eventuell lässt sich auch ein Gegenspieler zu einer Revancheaktion hinreißen. Dann hat Ihre Mannschaft den Vorteil, in Überzahl agieren zu können. Besonders schön oder fair ist das alles nicht, aber es spielt sich im Rahmen der gängigen Spielbedingungen ab, so dass Sie nichts befürchten müssen.

Die Nachteile einer fairen Herangehensweise

Wenn Sie nur liebe und nette Spieler auf dem Platz haben, kann es leicht passieren, dass der Gegner Ihrer Mannschaft den Schneid abgekauft. Zweikämpfe sind vielleicht nicht unbedingt entscheidend für den Ausgang des Spiels, aber wenn Ihre Spieler die Mehrzahl der Zweikämpfe verliert, hinterlässt das Spuren. Im Profibereich gibt es zwar Fairnesswertungen, die durchaus auch einen handfesten Vorteil für den Sieger mit sich bringen, beispielsweise Qualifikationen für bestimmte Wettbewerbe, aber im Amateurbereich erinnert sich niemand daran, ob Ihre Mannschaft besonders freundlich zum Gegner war. Es zählt nur das Ergebnis.

Die Nachteile einer unfairen Herangehensweise

In den 1970er Jahren war es noch problemlos möglich, einen Gegenspieler mit Anlauf von hinten in die Beine zu springen. Im besten Fall gab der Schiedsrichter dann eine gelbe Karte. Solche Fouls werden heute nicht mehr akzeptiert und das ist auch gut so. Der Spielraum für eine unfaire Herangehensweise ist deswegen geringer als früher. Ihre Spieler laufen dadurch Gefahr, relativ schnell eine gelbe Karte zu bekommen, die dann im Verlauf des Spiels leicht zu einer gelb-roten Karte werden kann. Das ist in der heutigen Zeit oftmals nur ein schmaler Grat. Zudem ist es gerade im Amateurbereich nicht immer einfach, den Schiedsrichter einzuschätzen. Wenn Sie den falschen Schiedsrichter erwischen, kann es sein, dass schon bei der ersten harten Aktion ein Spieler vom Platz fliegt.

Fazit: Faire Spielweise mit unfairen Elementen

In der heutigen Zeit ist wahrscheinlich grundsätzlich eine faire Spielweise, bei der die Spieler wenige Fouls spielen, wenige Karten bekommen und respektvoll mit den Gegenspielern umgehen die adäquate Wahl, um dauerhaft erfolgreich zu sein. Aber es gibt Situationen, in denen eine unfaire Aktion einen so großen Vorteil bringt, dass Ihre Spieler vielleicht nicht darauf verzichten sollten. Wenn einer Ihre Spieler beispielsweise einen Konter durch ein Foul unterbindet und dann der Gegenspieler sofort aufsteht, um einen schnellen Freistoß auszuführen, sollten Sie froh sein, wenn sich ein anderer Spieler vor den Ball stellt. Dann bekommt er vielleicht die gelbe Karte, denn er hat sich unfair verhalten. Aber wäre es wirklich eine bessere Alternative gewesen, den Freistoß nicht zu stören und damit dem Gegner vielleicht eine große Torchance zu ermöglichen? Im Fußball geht es, auch wenn das nicht schön klingt, im Kern um Opportunismus. Die erfolgreichste Mannschaft ist immer die Mannschaft, die es schafft, in jeder Situation die beste Entscheidung für den weiteren Fortgang des Spiels zu treffen. Dabei spielt es dann manchmal nur eine untergeordnete Rolle, ob es sich um eine faire oder eine unfaire Aktion handelt, die aus der Entscheidung resultiert.