Eine Frage der Höhe

Nach dem stotternden Start des Weltmeisters in die Qualifikation zur EURO 2016 belegt Deutschland in der Gruppe nur Rang vier. Das soll und muss sich schleunigst ändern. Gegen Gibraltar geht es allerings lediglich um die Höhe des Heimsiegs.

Die DFB-Elf genießt Heimrecht, und es wird allseits erwartet, dass sich Löws Truppe an diesem Spieltag zumindest an Schottland vorbei auf Rang drei schiebt. Sollten die Schotten zuhause gegen Irland gewinnen, ist sogar Platz zwei drin, allerdings nur, wenn der Sieg gegen UEFA-Neuling Gibraltar mit mindestens acht Toren Differenz zustande kommt. Unrealistisch ist das nicht, in drei Partien haben die Spieler von der iberischen Halbinsel bis jetzt 17 Gegentreffer kassiert und sind dabei ohne eigenen Torerfolg geblieben. Vor 102 Jahren hat die deutsche Mannschaft Russland einmal mit 16:0 geschlagen, und vor ein paar Jahren, im September 2006, gab es ein 13:0 beim Auswärtsspiel in San Marino. Gut möglich, dass Löws Mannschaft zumindest in die Nähe dieses Ergebnisses kommt, immerhin dürfte sich bei den Spielern nach dem 0:2 in Polen und dem zutiefst unglücklichen 1:1 gegen Irland immenser Frust aufgestaut haben. Und der soll sich gegen Gibraltar Bahn brechen.

Trotz mehrerer Ausfälle – Hummels, Schweinsteiger, Schürrle, Özil – kann der Bundestrainer ein namhaftes Team aufbieten. Zurück im Kader ist Khedira, der mit Kroos gemeinsam auf der Doppelsechs auflaufen dürfte. Die Viererkette wird wohl aus Rudy, Boateng, Höwedes und Durm bestehen, im offensiven Mittelfeld stehen die Einsatzchancen für Podolski, Götze und Bellarabi am besten. Ganz vorn ist Müller wohl gesetzt, vielleicht im Wechselspiel mit Götze. Dass Löw den Gegner nicht unterschätzt, zeigt sich darin, dass er seinen Spielern Videomaterial mit Partien des Fußballzwergs vorgeführt hat. Ein frühes Tor soll her für die Deutschen, die im Training den Torabschluss in den Vordergrund gestellt haben. Es steht nicht zu erwarten, dass die Defensivspezialisten einen arbeitsamen Freitagabend erleben werden.

Enge Räume in der gegnerischen Hälfte

Entscheidend wird sein, wie Kroos und Khedira die Doppelsechs interpretieren. Anzunehmen ist, dass Kroos etwas weiter vorn agiert, Khedira hingegen immer mal wieder den Weg in die Spitze sucht. Es steht jedoch zu erwarten, dass Gibraltar die eigene Hälfte mit zehn Feldspielern verbarrikadiert. Je mehr deutsche Spieler sich aber mit nach vorn wagen, desto enger werden die Räume und desto seltener kommt es zum Torabschluss. Das könnte für die Stimmung in Nürnberg wichtig werden, denn die Nationalelf steht derzeit und nach den beiden erfolglosen letzten Spielen beim Publikum unter Beobachtung. Nur schnelle Tore (und viele) dürften die traditionell kritischen Fans wohl zufriedenstellen. Zuletzt dauerte es nie besonders lang, bis die ersten Pfiffe gegen das teilweise zu biedere Spiel der Deutschen zu vernehmen waren.

Gegen die vielbeinige Abwehr werden deswegen auch Einzelaktionen von Müller, Götze und Bellarabi notwendig sein, um zu Chancen zu kommen. Neben der Chance auf Wiedergutmachung der letzten beiden Spiele soll die Partie gegen Gibraltar allerdings auch ein Zeichen an die Gruppengegner werden, dass die deutsche Elf wieder voll da ist. Der kurze Spannungsabfall im Spätsommer und Herbst nach dem WM-Triumph war nachvollziehbar, muss jetzt aber korrigiert werden.