Ende mit Fragezeichen

Nach einer relativ ordentlichen ersten Halbzeit erleidet der Welt- und Europameister Spanien im ersten Spiel ein herbes Debakel. Am Ende sind die Iberer mit dem 1:5 gegen die Niederlande noch gut bedient.

Robin van Persie, Hollands Sturmspitze, hatte Recht. Es hätten sechs, sieben oder gar acht Tore sein können am Ende, doch die Demütigung, sie war auch so groß genug. Aus einen 0:1-Rückstand machten seine Niederländer ein völlig verdientes 5:1 gegen komplett indisponierte Spanier, denen nach der Partie die Worte fehlten. Dem Titelverteidiger, dem nicht wenige einen letzten Kraftakt in Brasilien inklusive einem weiten Fortkommen zugetraut hatten – geht ihm langsam (oder schnell) die Luft aus?

Taktisch ließ Trainer del Bosque seine Mannschaft im gewohnten 4-3-3 agieren, zu Beginn funktionierte das Passspiel zwischen Xavi, Iniesta, Silva und Co. noch wie gewohnt. Bondscoach van Gaal stellte ein nur auf den ersten Blick destruktives 5-3-2 dagegen, in dem lediglich Snejder, Robben und van Persie offensiv ausgerichtet waren. Doch von Beginn an zeigte Oranje, dass es nicht gewillt war, vor der Passmaschine Spaniens in Ehrfurcht zu erstarren, die Kontertaktik ging allerdings da noch nicht richtig auf. Einem etwas zweifelhaften Strafstoß verdankte Spanien dann die im Prinzip auch verdiente Führung, allerdings sah es direkt im Anschluss so aus, als ob der Weltmeister sich auf diesen Lorbeeren ausruhen wollte. Nur noch einmal, kurz vor der Pause, konnten sich die Spanier vor das niederländische Tor kombinieren, was Silva in der 43. Minuten fast mit dem 2:0 veredelt hätte. Doch stattdessen fiel: der Ausgleich.

Spanien in der Schlussphase demoralisiert

Und zwar nach einer weiten Flanke von links, die van Persie gekonnt einköpfte. Überhaupt schien sich Holland mehr und mehr an die taktische Vorgabe des Trainers zu erinnern, nach Ballgewinn in der Defensive das spanische Mittelfeld, wie immer dicht gedrängt, mit dem Stilmittel des langen, hohen Balls zu überbrücken. So fiel auch das 2:1 für die Niederlande. Spanien hingegen verzettelte sich immer mehr in seinem Kombinationsspiel, das mehr und mehr an Effizienz verlor, weil die Holländer es endgültig decodiert hatten. Nach dem 3:1 in der 64. Minute war deutlich zu spüren, dass die Spanier Angst hatten, Angst vor einer Blamage. Und nicht zu Unrecht, wie sich zeigen sollte.

Taktisch blieb alles beim Alten: Holland ließ Spanien kommen und trug die Gegenangriffe meist in atemberaubenden Tempo vor. Die Spielweise erinnerte an die der Deutschen im Jahr 2010, dazu kam allerdings, dass die spanische Defensive es ihren Gegnern denkbar einfach machte. Und schließlich wackelte auch noch der zuvor unantastbare Torwart Casillas gewaltig – eigentlich hatten die Niederländer nun ein denkbar leichtes Spiel. Es wurde mit zunehmender Spieldauer immer einfacher, die Schnittstellen in der löchrigen Abwehr Spaniens zu entdecken und auszunutzen. Unterm Strich, van Persie lag schon richtig, hätte Holland noch höher gewinnen können. Am Ende blieb ein dickes Fragezeichen: ist Spanien damit schon am Ende? Gegen Chile muss eine Steigerung um hundert Prozent her, insbesondere in der komplett unsicheren Defensive um Piqué (sehr schwach) und Ramos (äußerst schwach). Sonst droht dem Weltmeister das Vorrundenaus – genauso wie dem Vorgängerweltmeister Italien bei der WM vor vier Jahren.