Faustdicke Überraschung in Belo Horizonte

Mit einem 1:7 scheidet Gastgeber Brasilien gegen Deutschland im Halbfinale aus. In einer sensationellen ersten Halbzeit gelingt Löws Mannschaft nahezu alles. Nach dem 0:5 zur Pause musste Brasilien am Ende froh sein, mit nur sieben Gegentoren davongekommen zu sein.

Brasiliens Trainer Scolari entsandte seine Mannschaft im 4-2-3-1 auf den Platz, Löw hielt im 4-1-4-1 dagegen, wobei Schweinsteiger den nominell einzigen Sechser bildete. Zu Beginn tat sich die deutsche Elf schwer gegen wild anstürmende und pressende Brasilianer, doch spätestens mit der ersten gelungenen Kombination über Khedira, der Kroos in der siebten Minute anschoss, war Deutschland im Spiel. Und wie. Mit dem 1:0 durch Müller nach zehn Minuten zeigte sich auf erschreckende Weise, dass Brasilien keinen „Plan B“ in der Tasche hatte. Die Taktik, mit fünf Mann das deutsche Aufbauspiel zu zerstören und mit den anderen fünf Feldspielern hinten dicht zu machen, erwies sich als völliger Schuss in den Ofen.

Denn dadurch klaffte im Mittelfeld ein riesiges Loch, das die Deutschen nun immer wieder zu nutzen wussten – auch, weil der Abstand zwischen den einzelnen Reihen nahezu immer der richtige war. Schweinsteiger eroberte die Bälle oft vor dem eigenen Strafraum, dann ging es über Müller, Khedira, Özil oder Kroos schnell nach vorn. Vor allem Khedira spielte dabei höchst intelligent, tauchte auch mal in der Spitze auf (rechts neben Klose) und stellte der brasilianischen Viererkette unlösbare Aufgaben. Dahinter erwies sich Kroos als sicherer Ballverteiler, später auch als zweifacher Torschütze zum 3:0 und zum 4:0, nachdem Klose mit seinem 2:0 in der 22. Minute zum alleinigen Rekordtorschützen bei Weltmeisterschaften aufgestiegen war. Und weil die Deutschen zwischen der 22. und der 29. Minute grad in ihrem Element waren, führte auch eine tolle Kombination über Khedira, Özil und wieder Khedira zum 5:0. Im Stadion in Belo Horizonte und vor den Bildschirmen weltweit waren alle Beobachter vor allem eins: ungläubig.

Schock ist nicht der richtige Ausdruck

Brasiliens Mannschaft war nicht nur geschockt, sie war regelrecht gelähmt. Mit den Wechseln nach der Halbzeit (Ramires für Hulk, Paulinho für Fernandinho) erzeugte Scolari noch einmal etwas Druck, doch nach Neuers Paraden gaben sich die Brasilianer auf. Auch, weil die deutsche Elf ihr Pressing wieder ernster nahm, stets verschoben alle Spieler intelligent in Richtung Ball, wobei die freien Brasilianer permanent im Raum gedeckt wurden und so als Anspielstationen ausfielen. Meist versuchte es die Heimelf mit Soli, was bis zum Strafraum funktionierte, dann aber in der vielbeinigen deutschen Hintermannschaft endete.

Bei konsequenterem Umschaltspiel hätten das sechste und das siebte Tor zwar früher fallen können, so dauerte es bis zur 69. und 79. Minute, eher der nach einer Stunde für Klose eingewechselte und überragende Schürrle die beiden Treffer erzielte. Brasilien war bis dahin komplett auseinandergefallen, eine Taktik war schon längst nicht mehr erkennbar. Özil lief in der 89. Minute allein auf Julio Cesar zu, setzte den Schuss jedoch knapp daneben, die deutsche Mannschaft schaltete ab. Das führte eine Minute später zum 1:7, selten war der Begriff des Ehrentreffers so angebracht wie in diesem mehr als denkwürdigen und historischen Halbfinale der Fußball-WM 2014.