Automatismen erlernen
Automatismen im Fußball sollen es einer Mannschaft ermöglichen, innerhalb eines vorgegebenen Systems in nahezu jeder erdenklichen Spielsituation als geschlossene Einheit zu agieren. Als Mannschaftssport lebt der Fußball vom funktionierenden Zusammenspiel aller Spieler und Mannschaftsteile, so dass Automatismen im Training regelmäßig wiederholt und einstudiert werden. Unter einem Automatismus wird in Bezug auf den Fußball die Fähigkeit verstanden, bestimmte Lauf- und Passwege der Mitspieler situationsbedingt und intuitiv zu erahnen bzw. vorherzusehen. Im Defensivverhalten führen funktionierende Automatismen dazu, dass die Räume effektiver zugestellt und so ein Ballverlust des Gegners erzwungen wird.
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Was ist der Vorteil von Automatismen?
Automatismen erlauben jedem einzelnen Spieler sowie dem gesamten Verbund schneller auf bestimmte Spielsituationen zu reagieren. Es muss nicht jedes Mal neu nachgedacht werden, da jeder Spieler weiß, wie sich selbst und seine Mitspieler zu verhalten haben, wenn der Gegner etwa einen Angriff über die Außenbahn oder im Zentrum startet. Beim Spiel mit dem Ball im gegnerischen Drittel greifen ebenfalls Automatismen, wenn es darum geht einen Ball genau so und im richtigen Moment in die Schnittstelle der Abwehr zu spielen, dass der Laufweg des Mitspielers zum Passweg des Balles passt. In gleicher Weise gilt dies bei einstudierten Varianten von Standardsituationen. Auch hier muss die eigene Idee auf das situationsbedingte Verhalten der Mitspieler abgestimmt sein.
Wo liegen die Nachteile von Automatismen?
Die Nachteile von Automatismen können bei einem Trainerwechsel und einer damit verbundenen neuen Spielphilosophie zum Tragen kommen. Aus diesem Grund neigen Trainer bei der Übernahme einer Mannschaft auch dazu, das taktische Grundkonzept des Vorgängers zumindest in groben Zügen zunächst beizubehalten und sich bei eventuell notwendigen Korrekturen auf die Details zu beschränken. Für größere Systemumstellungen wird dann die nächste Winter- oder Sommervorbereitung genutzt, wo sich die entsprechenden Automatismen über einen längeren Zeitraum hinweg ohne Wettbewerbsdruck einstudieren lassen.
Noch gravierender ist es, wenn bestimmte Automatismen in jungen Jahren falsch gelernt wurden. Den meisten Spielern fällt es sehr schwer, einmal falsch gelernte Gewohnheiten wieder abzustellen. Ein gängiges Beispiel hierfür ist der Torschuss. Der gesamte Bewegungsablauf folgt einem schematischen Automatismus, d.h. der Spieler führt einen Torabschluss aus, ohne dabei jedes Mal neu über seine Körperhaltung, die Position des Standbeines und viele weitere Faktoren nachzudenken. In vielen Vereinen wird diese Bedeutung unterschätzt, weshalb gerade in den unteren Altersklassen nicht ausreichend qualifizierte Trainer eingesetzt werden.
Die individuellen Automatismen
Zu den individuellen Automatismen gehören neben dem Schussverhalten insbesondere auch das Passspiel, die Interpretation der eigenen Position und das Erkennen von Spielsituationen. Während des Spiels kann der Spieler nicht jede Situation unter Einbeziehung aller relevanten Faktoren jedes Mal bewusst neu bewerten, da oftmals Bruchteile von Sekunden über Erfolg oder Misserfolg einer Aktion entscheiden. Die Entscheidung, warum sich ein Spieler genau so und nicht anders verhält, fällt automatisch und ist das Resultat eines individuellen Automatismus im Kopf. Deshalb spielt die Erfahrung im Fußball auch eine so große Rolle, da bestimmte Aspekte dieses Mannschaftssports nicht auf klassische Weise trainiert werden können. Die Übergänge zwischen individuellen und mannschaftsspezifischen Automatismen verlaufen dabei sehr fließend.
Die mannschaftsspezifischen Automatismen
Wichtigstes Beispiel für einen solchen Automatismus ist das Verschieben der Mannschaftsteile. Dies gilt sowohl innerhalb eines bestimmten Mannschaftsteil, z.B. der Viererkette in der Abwehr, als auch zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen. Nur wenn ein Rädchen ins andere greift, können die Räume bei gegnerischem Ballbesitz effektiv zugestellt werden. Auch beim Spiel mit dem Ball muss sich die gesamte Mannschaft als funktionierendes Kollektiv erweisen, um möglichst vielversprechende Angriffe kreieren zu können. Lauf- und Passwege müssen ebenso aufeinander abgestimmt sein wie das eigene Verhalten auf der individuellen Spielposition.
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Wann sind Automatismen im Fußball besonders hilfreich?
Sämtliche auf eigenen Ballbesitz aufgebauten Spielsysteme beruhen grundsätzlich auf mannschaftsspezifischen Automatismen. Mit kontrolliertem Aufbauspiel sollen Lücken in der Defensive des Gegners geschaffen werden. Im Gegensatz dazu steht z.B. das „Kick and Rush“, welches gerne als letzte Option angesehen und mit der Hoffnung auf einen Lucky Punch in der unmittelbaren Schlussphase verknüpft wird. Hierbei spielen Automatismen keine Rolle mehr.
Sehr häufig sind Automatismen in Form bestimmter Abläufe auch bei Standardsituationen wie Freistößen oder Eckbällen zu beobachten. Ob das Zurechtlegen des Balles in eine bestimmte Position des Ventils, die Schrittfolge zum Anlauf oder das Anzeigen bestimmter Varianten bei Standards nun einen praktischen Vorteil bringt oder nicht – diese Automatismen erfüllen beim ausführenden Schützen in erster Linie psychologische Aufgaben.
Von effektivem Nutzen sind Automatismen hingegen bei sehr risikoreichen Spielvarianten wie z.B. dem Angriffspressing. Hierbei soll der Gegner bereits in dessen Spielfeldhälfte unter Druck gesetzt werden. Nachteil dabei ist, dass bereits kleine Fehler in der Abstimmung zu einem Gegentor führen können. Daher sind funktionierende Automatismen innerhalb einer Mannschaft dabei umso wichtiger.
Wie sinnvoll ist das Einstudieren von Automatismen im Amateurbereich
Aufgrund der deutlich höheren Spielgeschwindigkeit sind Automatismen im Profifußball wichtiger als im Amateurbereich. Dennoch sollte dieses Thema auch in den unteren Spielklassen nicht vernachlässigt oder gar gänzlich ignoriert werden. Blindes Verständnis in Bezug auf Lauf- und Passwege oder bei Standards kann gerade bei engen Spielverläufen den entscheidenden Unterschied ausmachen.
Andererseits sollte der Fokus im Amateurbereich nicht zu früh oder zu stark auf Automatismen gelegt werden. Insbesondere bei den Junioren sollten die technischen und taktischen Grundlagen im Vordergrund des alltäglichen Trainings stehen. Ein sinnvoller Einstieg in diesen Themenbereich bildet die Altersklasse der B-Junioren, sobald mannschaftstaktische Aspekte insgesamt an Bedeutung gewinnen.
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Fazit
Die Automatismen im Fußball gewinnen zunehmend an Bedeutung je höher die Spielklasse ist. Eine höhere Spielgeschwindigkeit ist anfälliger für Fehler und damit für Gegentore. Andererseits kann ein besserer Spielfluss im eigenen System sehr hilfreich sein, um den Gegner unter Druck zu setzen und damit seinerseits zu Fehlern zu zwingen.
Beinahe schon legendär ist in diesem Zusammenhang das Berti Vogts zugeschriebene Zitat: „Wir haben ein Abstimmungsproblem – das müssen wir automatisieren.“
Jeder weiß, was der damalige Bundestrainer damit eigentlich sagen wollte, nämlich dass die Automatismen in seiner Mannschaft noch nicht vorhanden seien und eben daran gearbeitet werden müsse.
Mannschaftsspezifische Automatismen stehen in ihrer Bedeutung stets über individuellen Automatismen und sollten durch regelmäßiges Wiederholen im Training einstudiert werden. Als beste Zeitpunkte eignen sich hierfür die spielfreien Wochen im Sommer und Winter. Nach einem Trainerwechsel oder einer Wechselperiode mit vielen Zu- und Abgängen müssen Automatismen neu einstudiert werden, was im Training zumindest mittelfristig ein höheres Augenmerk auf dieses Thema erfordert.
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Bildquelle:
Ververidis Vasilis / Shutterstock.com