Die SpoWi-Ecke: Der Heimvorteil

Seit Anbeginn der Menschheit müssen (sportliche) Wettkämpfe dafür herhalten, dass sich Einzelne oder Gruppen miteinander messen. In den seltensten Fällen werden diese Kämpfe, Spiele etc. auf fremden Boden ausgetragen, meid beherberg eine der Parteien das Geschehen. Im Fußball spielt diese Partei, die Mannschaft in der eigenen Stadt, im eigenen Stadion etc. Die sogenannte Heimmannschaft verspricht sich davon einen Vorteil, der nicht zuletzt bei den Quoten der Buchmacher deutlich abzulesen ist. Doch wie sieht es aus mit dem Heimvorteil, stimmt diese Annahme überhaupt?

Die Untersuchung zum Heimvorteil

Palacios-Huerta, der mehr als 120.000 Ergebnisse der vergangenen 100 Jahre im englischen Fußballgeschehen in seine Untersuchung integrierte, ging dem Phänomen Heimvorteil genauer auf den Grund und untersuchte nicht nur die statistische Wahrscheinlichkeit eines Sieges der Mannschaft in heimischen Gefilden, sondern auch die zeitliche Verteilung und daraus resultierende Unregelmäßigkeiten.

Palacios-Huerta entdeckte dabei, dass in den betrachteten Partien etwa 50% aller Spiele einen Sieg des Gastgebers erbrachten. Je 25% entfielen auf ein Unentschieden und auf einen Erfolg der Auswärtsmannschaft.

Der verschwindende Heimvorteil

In seiner Untersuchung stellte der Wissenschaftler jedoch auch fest, dass der Heimvorteil im Laufe der Zeit bedeutsam abnahm. Zwischen 1888 und 1956 endeten in der höchsten englischen Spielklasse noch 56,6% der Partien mit einem Heimsieg, zwischen 1983 und 1996 jedoch nur noch 47,4%! In den unteren Ligen hingegen waren die Heimmannschaften durchgehend etwas erfolgreicher.

Eine Begründung für dieses Ergebnis konnte Palacios-Huerta nicht liefern, die Dominanz der englischen Spitzenteams aus Manchester, Liverpool und London hingegen, die in der Saison 2007/2008 lediglich sieben Auswärtspartien gegen andere Teams verloren, scheint einen Hinweis hierauf geben zu können.

Der Heimvorteil im Europapokal

Bisweilen wird davon ausgegangen, dass die zweite Partie einer KO-Runde, das Rückspiel, von Vorteil ist. Lionel und Katie Page untersuchten hierzu die Ergebnisse aller 12.364 Partien im Europapokal zwischen 1955 bis 2006 und stellten fest, dass die Annahme stimmt.

Das Setzsystem, wonach die besser platzierte Mannschaft der Vorrunde das Rückspiel bestreiten darf, wurde hierbei herausgerechnet. Fast 55% der Runden entschieden die Teams für sich, die in der entscheidenden zweiten Partie Heimrecht genossen. Zwischen 1996 und 2006 sank dieser Wert jedoch auf annähernd 52%.
Bei einer Verlängerung hingegen klettert die Erfolgswahrscheinlichkeit der im zweiten Spiel gastgebenden Mannschaft sogar auf 66%!

Situation auf dem Balkan

In eine konträre Richtung hingegen läuft die untersuchte prozentuale Verteilung teilweise auf dem Balkan. Beispielsweise in Bosnien konnten 2007/2008 lediglich elf Prozent der Teams in ihren jeweiligen Partien einen Auswärtssieg erringen. Begründet wird die dortige Entwicklung mit korruptem Verhalten und Absprachen zur Punkteteilung, denn ein Heimsieg mit drei Punkten und eine sich passiv verhaltende Auswärtsmannschaft, die dann ihrerseits bei dem Heimspiel gegen das selbe Team auf drei Zähler vertrauen darf, stellt das Maximum der Punktausbeute dar.

Keine der beiden Parteien verliert auf diese Weise schließlich durch Unentschieden benötigte Punkte. Ob diese Behauptung tatsächlich als Begründung herangezogen werden kann, muss bis zu einem Beweis jedoch als bloße Vermutung oder gar Unterstellung deklariert sein.

Heimvorteil, ja oder nein, Fazit

Der Heimvorteil lebt! Allerdings fällt er deutlich geringer aus als subjektiv angenommen und scheint im Laufe der Zeit deutlich abzunehmen.
Erklärungsversuche hierfür bietet Christoph Biermann in seinem Werk „Die Fußball-Matrix“, der die zunehmende Finanzkraft der dominierenden Teams, die fast nur noch gegeneinander verlieren, die zunehmende Kontertaktik und die bessere psychologische Betreuung bzw. daraus resultierende Druckresistenz der Spieler heranführt.

Für den Trainer können diese Befunde helfen mögliche Aversionen gegen Auswärtspartien abzubauen bzw. als Ansporn dienen.

Von Dominik Langenegger
Mit Material aus Christoph Biermann „Die Fußball-Matrix“