SpoWi-Ecke: MilanLab, das sagenumwobene Sportwissenschaftszentrum vom AC Mailand

Der AC Mailand zählt seit Jahrzehnten zu den absoluten Topadresse im europäischen und internationalen Fußball. Nicht zuletzt die Altersstruktur der Mailänder Mannschaft zog jedoch viele Jahre enorme Aufmerksamkeit auf sich, denn mit diversen Spielern jenseits der 30 Jahre boten die Italiener einen Gegenpol zu all den Teams, die zunehmend auf junge Akteure setzen. Möglich machte dies unter anderem das sagenumwobene MilanLab, eine Einrichtung, die im Kommenden genauer vorgestellt wird.

Der Mythos

Das MilanLab liegt etwa 50 Kilometer nordwestlich von Mailand und ist im Prinzip nichts anderes als eine sportwissenschaftliche Anlage, in der eine wissenschaftliche Begleitung des Fußballs stattfindet. Kaum jemand darf die hochheiligen Hallen betreten und die Geheimnisse werden sehr gehütet.

Der deutsche Fußball-Autor Christoph Biermann durfte 2007 das MilanLab betreten und schilderte seine Erfahrungen in seiner Abhandlung „Die Fußball-Matrix“.

Gründung und Hintergründe

Bruno Demichelis und Jean-Pierre Meersseman, die beiden Leiter des Projektes, begannen im Jahr 2000 mit dem Start des MilanLab. Anlass hierzu war die enorme Anzahl an Verletzten beim AC Mailand und insbesondere die Verpflichtung von Fernando Redondo. Der Argentinier wurde für 18 Millionen Euro von Real Madrid verpflichtet und unterschrieb den bis dahin höchstdotierten Vertrag im Fußballgeschäft. Nach einem Kreuzbandriss und etlichen Folgeverletzungen musste diese enorme Investition jedoch seine Karriere beenden.
Mit dem MilandLab sollte also eine wissenschaftliche Fundierung gelegt werden, um Verletzungen zu minimieren.

Verletzungen bei Milan

Die Wissenschaftler wollten also ursprünglich Faktoren finden, um festzustellen, wie verletzungsanfällig ein Akteur aktuell ist. Anders gesagt sollte das Risiko einer Verletzung bestimmt und präventive Einflüsse entwickelt werden.

Zu Beginn wurde ein eigenes Netzwerk geschaffen, in welchem alle athletischen Daten der Profis festgehalten wurden. Software sollte hierbei auffällige Werte feststellen und eine Warnmeldung ausgaben. Dieses Frühwarnsystem mit medizinischen, physiologischen und biometrischen Daten sorgte offenbar für enorme Fortschritte und reduzierte nach eigenen Angaben die Zahl der Verletzungen, die keine Sportunfälle waren, in den ersten dreieinhalb Jahren nach dem Start des MilanLab um 90 Prozent!

Die Tests

Die Messdaten wurden beispielweise aus einer umfangreichen Funktionsdiagnostik (Sprung-, Schnelligkeitstests etc.) und weiteren medizinischen Tests ermittelt. Hierzu zählen der Wassergehalt des Körpers, die maximale Sauerstoffaufnahme, Sauerstoff-Zusammensetzungen und Verarbeitungskapazitäten, das Verhältnis von Cortisol und Testosteron, Blut- und Körperuntersuchungen (Röntgen, MRT etc.) sowie viele weiteren Daten. Im biometrischen Bereich wurden Laufanalysen, Fußfehlstellungen und weitere körperliche Beeinträchtigungen wie Disbalancen etc. betrachtet. Auch Sehtests, 3D-Bodyscans und sogar zahnärztliche Untersuchungen stehen auf dem Programm, da viele Infektionsherde oftmals mit schadhaften Zähnen verknüpft zu sein scheinen.

Um den täglichen Untersuchungsbedarf nicht zu sehr auszudehnen bekommen die Milan-Spieler jeden Tag ein kleines Stück Baumwolle mit Zitronengeschmack, auf welchem sie kurz kauen. Anschließend wird der Speichel auf eine Fülle von medizinischen Werten hin untersucht. Alle 14 Tage steht zusätzlich eine intensive Untersuchung an.

Fazit:

Die zunehmende „Verwissenschaftlichung“ des Fußballs scheint nicht aufzuhalten. Zumindest im kleinen Rahmen (Laktatanalyse, Herzfrequenz etc.) kann jeder Trainer sportwissenschaftliche Informationen über seine Schützlinge einsammeln und so neue Reize setzen bzw. gezielteres Training anbieten.

Von Dominik Langenegger