Das Geschäft mit den Nachwuchsspielern, Teil 3
Immer mehr Clubs setzen in puncto Jugendarbeit auf eine eigene Talentschmiede. Doch gibt es in dieser Hinsicht auch noch andere Geschäftsmodelle. Scouts von Profivereinen beobachten schon Dreizehnjährige, Teenager werden zu horrenden Beträgen gekauft. Und manche Fußballclubs machen daraus sogar ein regelrechtes Geschäft.
Ohnehin haben die Scouts in belgischen Talenten nicht erst seit Kevin de Bruyne eine neue Spielwiese entdeckt. Der Aufschwung der belgischen Nationalelf unter Marc Wilmots, der bei der WM in Brasilien immerhin bis ins Viertelfinale geführt hat, fußt im Wesentlichen auf dem Zusammenspiel des Trainers mit den Stützen des Teams: Torwart Courtois (22, Chelsea), de Bruyne (23, 2014 von Chelsea nach Wolfsburg), Eden Hazard (24, FC Chelsea) sowie den etwas älteren Semestern Witsel, Vertonghen und Alderweireld. Ein weiteres großes Talent ist der 21-jährige Romelu Lukaku, 2011 als 18-jähriger nach England gekommen – natürlich zu Chelsea; 2012 nach West Bromwich und 2013 nach Everton verliehen, wo er nun einen festen Vertrag besitzt.
Entweder verfügt Chelsea in Sachen Scouting also über eine enorme Qualität, oder der Club hat in jedem Land einen Haufen Scouts sitzen, der das Geschäft mit den Nachwuchsspielern permanent anschiebt. Oder beide Annahmen sind richtig. Denn ein Geschäft ist das für den Verein aus dem Londoner Westen inzwischen auf jeden Fall, ein Geschäft, das weit über das Sportliche hinausgeht. Aber was passiert, wenn auch andere Clubs mit einem Haufen Geld auf einmal entdecken, dass mit dem Kaufen, Verleihen oder Wiederverkaufen junger Fußballer Reibach zu machen ist, und das nicht zu knapp? Oder ist das schon längst der Fall?
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Nachwuchsarbeit ist das nicht
Wer sich einmal mit dem Kader des FC Bayern beschäftigt, stellt schnell fest, dass es dort viele junge Spieler gibt. Sie heißen Gianluca Gaudino (18), Pierre Emile Højbjerg (19), Jan Kirchhoff (24), Sinan Kurt (18), Mario Götze (22), Juan Bernat (21), Thiago Alcantara (23) oder David Alaba (22). Sie spielen selten wie etwa Gaudino und Højbjerg, sehr oft oder immer wie Götze, Bernat und Alaba oder praktisch nie, so wie Kurt und Kirchhoff; Thiago ist seit längerer Zeit verletzt. Mit Ausnahme von Gaudino, der 2004 mit acht Jahren nach München kam, ist kein Spieler dabei, der maßgeblich von der Jugendarbeit des FC Bayern geprägt worden ist. Højbjerg kam mit 16 nach München, Kirchhoff mit 22 (er ist derzeit nach Schalke ausgeliehen), Kurt mit 18, Götze und Bernat mit 21, Thiago mit 22 und Alaba mit 18. Nachwuchsarbeit ist das nicht, es ist eher eine Einkaufstour bei Vereinen, die über schwächere Finanzen verfügen als die Münchner und ihre jungen Juwelen zu Geld machen müssen, weil sie sonst irgendwann ablösefrei gehen.
Letztmals Deutscher Meister in der U-19-Bundesliga waren die Münchner im Jahr 2004. Die U-17-Bundesliga, gegründet 2007, hat sogar noch keine Münchner Meisterschaft erlebt. Ist es nur ein Zufall, dass die bayrische Einkaufstour bei älteren Jugendspielern oder jungen Profis dazu geführt hat, dass der eigene Nachwuchs keine Titel mehr einfährt? Wohl kaum. Alles ist auf den Profibereich ausgerichtet, und zu dem gehört es eben auch, der Konkurrenz die Talente wegzukaufen. Max Eberl, Sportdirektor in Mönchengladbach, sieht das mit gemischten Gefühlen. „Man sollte den Wettbewerb im Fußball schon am Leben halten“, wird er im Tagesspiegel zitiert, und er meint damit, dass die großen Clubs nicht schon die Talente von den kleinen loseisen sollten, sondern erst die ausgebildeten Spieler. Und das gegen Geld. Also so wie bei Götze etwa. Nicht wie bei Sinan Kurt, auf den Eberl in seiner Aussage anspielt.
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Der nächste Deal
Nur wird man es weder den Münchnern noch dem FC Chelsea oder einem anderen europäischen Großclub verbieten können, diese Praxis weiter durchzuführen. Der nächste Deal in dieser Kategorie ist inzwischen bereits über die Bühne gegangen. In Norwegen, beim Verein Strømsgodset Toppfotball, spielt ein im vergangenen Dezember 16 Jahre alt gewordener Junge mit dem Namen Martin Ødegaard, der bei einigen europäischen Spitzenvereinen auf dem Zettel gestanden hat, auch der FC Bayern hatte sich offenbar beste Chancen ausgerechnet, das Talent an Land zu ziehen. Allerdings hat nun wohl Real Madrid das Werben um den Jungstar gewonnen. Doch das wird nicht das Ende der Fahnenstange bleiben.
Dazu passt aktuell ja auch die Verpflichtung von Joshua Kimmich. Es kommt leicht der Verdacht auf, dass die Bayern den Mittelfeldspieler in erster Linie haben wollen, damit er nicht zur Konkurrenz geht, ein späterer Weiterverkauf oder eine Leihe (jeweils mit sattem finanziellem Plus natürlich) nicht ausgeschlossen. Kimmich, der im Mittelfeld spielt, wird in München auf Konkurrenten treffen, die Namen tragen wie Lahm, Martinez, Alonso, Thiago, Alaba, Schweinsteiger, Rode – und Højbjerg. Falls letzterer nicht doch den Verein wechselt. 288 Minuten Bundesliga hat Højbjerg in der Vorrunde nur gesammelt, obwohl erklärter Liebling von Trainer Guardiola. Auch die Rotation, die der Katalane praktiziert, hat den Dänen selten in die Mannschaft gespült. Jetzt ist der junge Mann erst einmal an den FC Augsburg ausgeliehen, zunächst für ein halbes Jahr, also bis zum Ende der Saison. Das Geschäft mit den jungen Spielern boomt, und die führenden Clubs haben dabei das Sagen. Das ist legitim. Aber es nimmt fast allen konkurrierenden Vereinen die Möglichkeit, die selbst ausgebildeten Talente entweder selbst als Profis einzusetzen – oder sie später für eine angemessene Summe zu verkaufen.
Teil 1 des Artikels findet Ihr hier: https://www.fussballtraining.de/jugendtraining/das-geschaeft-mit-den-nachwuchsspielern-teil-1/16782
Teil 2 des Artikels findet Ihr hier: https://www.fussballtraining.de/jugendtraining/das-geschaeft-mit-den-nachwuchsspielern-teil-2/16933
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