Alles auf Anfang?
Damit der Start in die Qualifikation zur EM 2016 in Frankreich gelingt, wird die Nationalelf gegen Schottland anders auftreten müssen als beim 2:4 gegen Argentinien. Denn keine Mannschaft wird gegen den Weltmeister vor Ehrfurcht erstarren.
Vor dem Freundschaftsspiel in Düsseldorf war in Teilen der Printmedien schon wieder zu lesen, wie schwer es sein würde, die deutsche Nationalmannschaft zu schlagen. Dann dauerte es genau 50 Minuten, bis mit dem 0:4, das der überragende di Maria erzielte, so ziemlich der genaue Gegenbeweis zu dieser These erbracht war. Sicher, die deutsche Elf hätte bis zum 0:1 durch Aguero schon mit einem Tor führen können. Doch Gomez, der nach langer Zeit (385 Tage) mal wieder von Beginn auflief, scheiterte kläglich und freistehend vor Torwart Romero (später dann noch zweimal). Sicher, der Stürmer ist außer Form, hat vergangene Saison verletzungsbedingt kaum gespielt. Und dennoch tauchen gleich wieder erste Zweifel auf an dem Mann, der sein Geld inzwischen in Florenz verdient. Es scheint mehr denn je fraglich, ob er Klose jemals eins zu eins wird ersetzen können.
Nun sollte man das Resultat aus Düsseldorf nicht überbewerten. In der Abwehrkette stand mit Höwedes nur ein WM-Stammspieler, Hummels saß ebenso wie Boateng nur auf der Bank, während Lahm und Mertesacker ja nicht mehr dabei sind. Dennoch wird Löw gerade hinten viel Arbeit haben in den beiden nächsten Jahren. Weiter vorn zeigten Kroos und Draxler ein gutes Spiel, der Schalker musste nach 33 Minuten allerdings verletzt passen. Müller und Götze saßen knapp eine Stunde auf der Ersatzbank, während Schürrle von Anfang an spielte. Viel gelang ihm dabei nicht.
Verkehrte Welt: Testspiele werden zunehmend wichtiger
Das klingt fast ein bisschen nach „alles auf Anfang“, wobei Löw dabei natürlich weiß, dass die Qualifikation zur EM eigentlich ein Selbstläufer sein müsste: die Gruppenersten und –zweiten qualifizieren sich direkt für das Turnier, was in einer Gruppe mit Georgien, Gibraltar, Irland, Polen und Schottland zweifelsohne drin sein muss. Also kann der Bundestrainer in den Gruppenspielen womöglich sogar ein wenig experimentieren. Verkehrte Welt: Um die tatsächliche Form der Mannschaft zu testen, wird es Freundschaftsspiele gegen starke Nationen wie eben Argentinien brauchen – wobei Löw dann aber auch seine Stammspieler braucht. Diese haben sich in den vergangenen Jahren bei Testländerspielen regelmäßig abgemeldet. Für das herbe 2:4 gegen Argentinien ließe sich mit etwas gutem Willen noch ergänzen, dass die deutsche Elf offenbar nicht damit gerechnet hatte, dass die Argentinier die Gelegenheit zur Revanche für die Niederlage von Rio so ernsthaft angehen würden. Wohlgemerkt ohne ihren Superstar Messi.
Zwar werden auch die Schotten am Sonntag sowie danach die Polen, die Iren, die Gibraltarer und die Georgier vor dem Weltmeister nicht schon vor dem Anpfiff in Ehrfurcht erstarren. Den Respekt der Gegner wird sich Löws Elf in jedem Spiel auf Neue erkämpfen müssen. Andererseits ist davon auszugehen, dass jede einzelne Mannschaft in Gruppe D gern auf Deutschland als Gruppengegner verzichtet hätte. Und Löw dürfte überdies den Ehrgeiz haben, die Serie von Qualifikationsspielen fortzusetzen und ohne Niederlage zu bleiben. Die letzte Pleite datiert vom 17. Oktober 2007 (0:3 gegen Tschechien).