Taktikreport: Ajax Amsterdam vs Tottenham Hotspur
Wir haben für Euch das Champions League Halbfinale zwischen Ajax Amsterdam und Tottenham Hotspur taktisch unter die Lupe genommen. Sicherlich waren Wille und der Glaube an sich selbst entscheidende Faktoren für die „Rückkehr“ von Tottenham.
Darüber hinaus haben wir auch noch taktische Gründe für das spektakuläre Tottenham-Comeback ausmachen können. Die Taktik-Spezialisten von urban-coaching.eu haben für uns die Partie analysiert.
Grundordnung Ajax Amsterdam
Amsterdam beginnt mit dem Ball in einem 4-2-3-1 System, wobei die Offensivreihe oft durch ständige Positionswechsel versucht die Defensive von Tottenham durcheinander zu wirbeln. Im Spielaufbau schieben beide Innverteidiger breit, um sich seitlich vom Sechzehner anspielen zu lassen.
Dabei lässt sich meistens Frankie de Jong (21) als einer der beiden defensiven 6er zwischen diese fallen, um den Spielaufbau voran zu treiben. Gleichzeitig beginnt Ajax mit ihrem 10er Donny van de Beek (6) und Stürmer Kasper Dolberg (25) eine Seite zu überlagern, um Überzahl am Flügel herzustellen. Defensiv war die Mannschaft von Amsterdam auf sofortiges Gegenpressing nach Ballverlust aus.
Wenn das nicht möglich war, setzte man die Defensive von Tottenham trotzdem sofort durch intensives Anlaufen unter Druck. Weiterhin war auffällig das sehr mannorientiert verteidigt wurde und sich auch die Innenverteidiger oft aus ihren Positionen haben rausziehen lassen. Dabei rückte dann ein defensiver 6er zurück in die Viererkette, um diese wieder aufzufüllen.
Grundordnung Tottenham Hotspur
Die Spurs starteten zu Beginn des Spiels ebenfalls in einem 4-2-3-1 System. Ähnlich wie Amsterdam schieben im Spielaufbau beide Innenverteidiger breit, wobei sich ein defensiver 6er dazwischen fallen lässt. Anfangs bekleidete V. Wanyama (12) noch diese Position, wurde dann jedoch zu Beginn des zweiten Durchgangs durch C. Eriksen (23) dort ersetzt. Durch das intensive Pressing von Ajax in der ersten Halbzeit, resultierte dann meist der lange Ball ins Sturmzentrum.
Andernfalls versuchte man nach erfolgreicher Kombination vor allem über die schnellen H-M Son (7) und Lucas (27) das Spiel fortzusetzen und Abschlüsse zu kreieren. Defensiv versuchten die Spurs den Gegner noch in deren Spielhälfte unter Druck zu setzen. Dabei agierte Lucas als einzige Spitze, um das Spielfeld zu teilen. Nach Pass auf den Außenverteidiger schiebt Tottenham dann alle ballnahen Räume zu und attackiert mit den äußeren Mittelfeldspielern den Gegner.
Dabei wusste sich jedoch Amsterdam immer wieder zu befreien, indem sie vor allem die aufgehenden Räume hinter den Außenverteidigern der Spurs nutzten, oder durch schnelle kurze Pässe die Seite verlagern konnten.
Ajax starkes Pressing zahlt sich aus
Schon zu Beginn des Spiels setzte Amsterdam wieder da an, wo sie im Hinspiel aufgehört hatten. Frühes Pressing und schnelle Balleroberungen als Mittel gegen die stabile Defensive von Tottenham. Bei Anspiel auf den äußeren Verteidiger verschob Ajax sehr stark auf eine Seite, sodass K. Dolberg (25) den Rückpass zum Verteidiger schloss und der äußere ballferne Stürmer den Pass auf den Sechser zustellte.
Bei Balleroberung suchte man schnell die Lücken zwischen AV und IV, um bis zur Grundlinie durchzukommen. Anschließend folgte eine zielgerichtete Flanke bzw. der Pass in den Rückraum. Das zeigt auch der Treffer zum 2:0 durch H. Ziyech (22.)
Generell lies Trainer Erik ten Hag seine Mannschaft sehr offensiv mit vielen Positionswechseln arbeiten. Dieses wird auch besonders deutlich durch das Spiel mit Ball. Frankie de Jong (21) trat dabei als Spielgestalter auf und verteilte die Bälle oft auf die hochschiebenden Außenverteidiger N. Mazraoui (12) und N. Tagliafico (31). Anschließend versuchte Amsterdam durch Überzahl am Flügel die Situation spielerisch zu lösen, sodass der Pass Richtung Grundlinie, oder ein gezielter Abschluss möglich war.
Tottenhams Comeback durch entscheidende taktische Umstellungen
Nach der Einwechslung von F. Llorente (18) zu Beginn der zweiten Spielhälfte versuchte Spurs Trainer Mauricio Pochettino einerseits die offensive Durchschlagskraft zu erhöhen, andrerseits aber auch den Spielaufbau mit oftmals langen Bällen an ihn anzupassen. Gleichzeitig rückte C. Eriksen (23) auf die 6er Position neben M Sissoko (17), um mehr Ruhe ins Spiel von Tottenham zu bringen und Ballverluste zu minimieren.
Die Spurs bekamen nun mehr Raum zum Kombinieren, da das Pressing von Amsterdam nun nicht mehr so zur Geltung kam, wie noch in Halbzeit eins. Die dribbelstarken Außen um Son (7) und Lucas (27) suchten nun immer mehr das eins gegen eins, um anschließend den Ball gefährlich vor das Tor zu bringen oder den Rückraum zu bedienen. Dabei fanden nun auch die Außenverteidiger der Spurs mit D. Rose (3) und K Trippier (2) immer wieder Platz zum Überlaufen. Oftmals fehlte jedoch noch der entscheidende Pass, bzw. der Abschluss wurde zu ungenau.
Das Herzstück der Spurs war in Durchgang zwei jedoch das Mittelfeld um Spielgestalter D. Alli (20) und Abräumer M. Sissiko (17), der durch sein Zweikampfverhalten viele Angriffsbemühungen von Ajax frühzeitig zunichtemachte und selbst viele gefährliche Akzente setzte. Immer wieder wurde auch D. Alli auf der 10ner Position gesucht, um eine Idee zu entwickeln oder den entscheidenden Pass zu spielen. So lies er auch seine Qualität beim 2:1 Anschlusstreffer, sowie beim 3:2 Siegtreffer aufblitzen, indem er Lucas (7) zweimal mustergültig bediente.
Tottenham belohnt sich letztlich für eine starke zweite Halbzeit, in welcher Ajax für zu wenig Entlastung im Spiel nach vorne sorgen konnte. Das Spiel endet mit 3:2 für die Spurs, welche jetzt im Champions League Finale auf den FC Liverpool treffen.
Von: urban-coaching.eu