Die Vorentscheidung
Einen seiner drei möglichen Titel hat der FC Bayern mit dem 0:1 in Dortmund wohl verspielt. Taktisch hat die Mannschaft von Jupp Heynckes zwar wenig falsch gemacht, doch ein wenig war den Bayern anzumerken, dass der Druck für sie zu groß war.
Egal, welche Zeitung man in den Tagen nach dem packenden Spitzenspiel in Dortmund auch aufgeschlagen hat, spätestens im Sportteil konnte man wahlweise das entsetzte Gesicht von Arjen Robben nach dem vergebenen Elfmeter gegen Weidenfeller sehen in der 86. Minute. Oder das entsetzte Gesicht von Arjen Robben nach der vergebenen Großchance wenige Minuten später, als er völlig frei vor dem leeren Borussentor den Ball in Rücklage statt ins Netz in die dritte Etage semmelte. Robben wurde in nahezu jedem Medium als der Verlierer des Spiels gebrandmarkt. Das ist – einerseits – eigentlich auch gar nicht wegzudiskutieren. Doch auf der anderen Seite steht die Frage, weswegen der FC Bayern erst nach dem Rückstand durch Lewandowski (76.) ernsthaft versuchte, ein Tor erzielen zu wollen.
Die Männer in Rot hatten sich taktisch weitgehend passabel verhalten, auch wenn die Dortmunder in der ersten Halbzeit zwei, drei sehr gute Chancen bekamen. Der Rekordmeister hatte in den zweiten 45 Minuten dann mehr vom Spiel, ohne jedoch richtig gefährlich zu werden. Es drängte sich der Eindruck auf, dass den Münchnern ein 0:0 reichen würde, was bei drei Punkten Rückstand auf den Rivalen schon fragwürdig genug war. Sie wirkten seltsam gehemmt, und leider muss man in diesem Zusammenhang wieder auf Arjen Robben zu sprechen kommen. Der wirkte mal wenig konzentriert, dass wieder übermotiviert, so dass die rechte Bayern-Seite keine Gefahr ausstrahlte. Dennoch haben die Bayern immer und immer wieder versucht, Robben ins Spiel einzubinden – das erwies sich als Fehler. In den ganz entscheidenden Spielen schafft es der Niederländer meist nicht, das Niveau abzurufen, das man vom ihm sonst gewohnt ist.
Arjen Robbens Angst vor entscheidenden Spielen
Zwei Beispiele aus dem Jahr 2010 untermauern diese These. Da war zunächst das Finale der Champions League gegen Inter Mailand, in dem Robben praktisch nicht zu sehen war – obwohl er in den Wochen zuvor in überragender Form gewesen war. Und im Finale der WM gegen Spanien lief er, ansonsten blass, allein auf den spanischen Keeper Casillas zu und scheiterte. Das, hat Robben neulich wieder verlauten lassen, gehe ihm heute noch nach. Womit die Frage nach der seelischen Belastbarkeit dieses großen Spielers geklärt wäre.
Franck Ribéry auf links hingegen war besser im Spiel, doch fehlte ihm die Unterstützung von hinten, zu oft musste sich der Franzose allein gegen eine Unzahl gelber Verteidiger wehren, was nicht immer gutgehen konnte. Mit der Einwechslung von Bastian Schweinsteiger durfte man dann erwarten, dass dieser von der Sechserposition aus zusätzlich Struktur ins Spiel bringen und den Flügelspielern Ribéry und Robben eine zusätzlich Anspielstation sein würde. Doch der Bayern-Plan ging nicht auf. Die Borussia war taktisch blendend eingestellt, sie wusste: Wenn sie die beiden Flügelspieler aus dem Spiel nehmen würden, wären die Bayern ihren gefährlichsten Gomez-Zulieferern beraubt. Marcel Schmelzer (gegen Robben) und Lukas Piszczek (gegen Ribéry) waren ihren Gegnern zumeist einen Schritt voraus. Und so zeigte sich wie schon in der letzten Saison, dass die Bayern hilflos wirken, wenn die beiden Superstars „Rib und Rob“ nicht zu ihrer Form finden.
Nicht an den Coup geglaubt
Und Dortmund? Verbat sich jedwede Euphorie, verwies auf die schweren nächsten Spiele – und ist nun 24 Mal in Folge in der Bundesliga unbesiegt. Beim Derby auf Schalke soll das natürlich so bleiben, doch eine Garantie gibt es nicht. Extra motivieren muss Klopp seine Spieler wohl eher nicht, es ist kaum vorstellbar, dass die Mannschaft ausgerechnet jetzt nachlässt, auch wenn das Spiel gegen die Münchner viel Kraft gekostet hat. Es war beeindruckend zu beobachten, wie diszipliniert die Borussia agierte und sich auch nicht grämte, als Großkreutz, Kuba und Kagawa die besten Chancen ausließ. Das Spiel der Schwarz-Gelben wird seit letzten September getragen von einer unfassbaren Fähigkeit, sich an sich selbst zu berauschen – wäre die Chancenverwertung nur ein wenig besser, die Dortmunder wären in die Nähe der 100-Tore-Marke gelangt in dieser Saison.
Doch zum Titel wird es wohl auch so reichen, und die Bayern haben das vorher schon geahnt. So verhalten, wie sich die Mannschaft in Dortmund auf dem Platz präsentierte, so defensiv waren die Kommentare im Vorfeld ausgefallen. Von Hoeneß, von Rummenigge, von allen: sehr untypisch. Irgendwie war da zu ahnen, dass sie in München wohl selbst nicht so richtig an den Coup geglaubt haben, in Dortmund gewinnen zu können. Die Vorentscheidung in Sachen Meisterschaft dürfte gefallen sein, die restlichen beiden Titel aber sind noch zu vergeben. Dass die Münchner in der Champions League nun den spanischen Tabellenführer Real Madrid vor der Brust haben, dürfte ihnen ebenso wenig gefallen wie die Aussicht, im Erfolgsfall gegen die Madrilenen im „Finale dahoam“ auf die Zaubertruppe des FC Barcelona treffen zu können. Und im Pokalfinale zu Berlin wartet ein schwarz-gelber Gegner, gegen den die Bayern nun schon vier Mal in Folge verloren haben und der weiß, wie man Robben, Ribéry, Gomez und damit das ganze Bayern-System lahmlegt.