Müssen Stürmer unbedingt defensiv mitarbeiten?
Heutzutage werden Stürmer, die viele Tore schießen, aber ansonsten wenig zum Spiel beitragen, sehr schnell kritisiert. Das beste Beispiel dafür ist Mario Gomez. Obwohl der Bayern-Stürmer in seinem Club und auch in der Nationalmannschaft längst nachgewiesen hat, dass er auch auf dem höchsten Niveau viele Tore schießen kann, wird er immer wieder kritisiert. Angeblich leiste Gomez nicht genug für die Mannschaft und deswegen seien andere Stürmer wie Robert Lewandowski wesentlich besser. Dieser Meinung kann man sich anschließen, aber es gibt durchaus auch bedenkenswerte Gegenargumente.
Ein arbeitender Stürmer ist schneller müde
Es geht überhaupt nicht darum, einem Stürmer einen ruhigen Nachmittag zu verschaffen. Aber wenn ein Stürmer ständig im Höchsttempo über den Platz jagt, hat er häufig in den entscheidenden Situationen nicht mehr die Kraft, um einen perfekten Torschuss hinzubekommen. Seine ureigenste Aufgabe kann der Stürmer deswegen vielleicht nur noch bedingt erfüllen. Wenn Sie also ein taktisches Konzept haben, in dem die Stürmer sehr viel arbeiten müssen, dann sollten Sie nicht gleichzeitig erwarten, dass die Stürmer auch noch ständig Tore schießen. Letztlich läuft es aber immer darauf hinaus, dass Stürmer vor allem an ihren Toren gemessen werden. Es liegt an Ihnen, dies zumindest innerhalb der Mannschaft und des Vereins zu relativieren.
Eine taktische Aufstellung braucht Tiefe
Sicher ist es schön für Zuschauer und Trainer zu sehen, wenn ein Stürmer in der eigenen Hälfte Zweikämpfe gewinnt. Aber für das Umschaltspiel ist es sehr wichtig, dass in vorderster Spitze eine Anspielstation vorhanden ist. Nur dann muss nämlich der Gegner den langen Pass abdecken. Damit sind mindestens zwei Verteidiger gebunden. Wenn Sie ein System spielen lassen, indem der Mittelstürmer defensiv lange Wege gehen muss, sollten Sie darauf achten, dass trotzdem die Position des Mittelstürmers immer besetzt ist. Ansonsten haben Sie bei einem Ballgewinn einen strukturellen Nachteil, den ein taktisch guter Gegner ausnutzen kann.
Defensivarbeit ist nicht nur Laufarbeit
Ein Mittelstürmer kann defensiv mitarbeiten ohne extreme Laufarbeit zu verrichten. Durch ein kluges Stellungsspiel und cleveres Verschieben kann ein Stürmer durchaus zu einer wichtigen Komponente der Defensive werden, ohne sich dabei völlig zu verausgaben. Die wesentliche Anweisung ist dabei, dass der Stürmer nie aus der vordersten Linie zurückweichen darf. Diese Taktik setzt allerdings voraus, dass Sie ansonsten eine sehr laufstarke Mannschaft haben, die den einen oder anderen Meter für den Mittelstürmer läuft. Wenn Ihr Mittelstürmer viele Tore schießt, haben Sie exzellente Argumente für diese Taktik.
Ein laufstarker Mittelstürmer als Alternative
Wenn Sie keinen torgefährlichen Mittelstürmer haben, können Sie dies kompensieren, indem Sie zentral einen Stürmer aufbieten, der sehr fleißig ist und viele Wege geht. Dann benötigen Sie aber offensive Mittelfeldspieler und Außenspieler, die sehr flexibel agieren. Deren Aufgabe ist es nämlich, immer wieder in die Spitze vorzustoßen, während der Mittelfeldspieler seinen Gegenspieler aus dem Abwehrzentrum raus zieht. Dieses System erfordert enorm viel Laufarbeit und taktisches Verständnis. Aber es ist durchaus möglich, auch mit diesem System sehr erfolgreichen Fußball zu spielen. Nirgendwo steht geschrieben, dass nur Stürmer Tore schießen dürfen.
Eine individuelle Lösung finden
Es gibt kein Patentrezept für die Stürmerfrage. Empfehlenswert ist allerdings immer, dass Sie sich ganz genau anschauen, welche Stürmertypen Ihnen zur Verfügung stehen. Wenn Sie einen laufstarken Stürmer haben, sollten Sie das ausnutzen. Wenn Sie hingegen einen Stürmer haben, der eher durch Torgefahr und Cleverness brilliert, sollten Sie ihm nicht seine Stärken nehmen, indem Sie ihn massiv in die Defensivarbeit einbinden. Mit beiden Optionen können Sie sehr erfolgreich sein, wenn Sie den passenden Spielertypen haben und die Taktik entsprechend anpassen. Auch wenn in den Medien immer wieder suggeriert wird, dass heutzutage Stürmer nicht mehr vorne auf den Ball warten können, sollten Sie sich davon nicht zu sehr beeinflussen lassen. Bilden Sie sich lieber eine eigene Meinung, denn nur Sie als Trainer kennen Ihre Mannschaft und Ihre Spieler ganz genau.