Trainieren mit Provokationsregeln

Ob Oberliga oder Kreisklasse, Profikicker oder passionierter Amateurspieler, jeder kennt sie, die kontinuierlich wiederkehrenden Trainingsklassiker wie „Schattendribbling“, „eins gegen eins“, oder das Spiel im Dreieck, die gänzlich nicht unter das Thema „Provokationsregeln“ fallen. All diese Trainingsmethoden haben sich über die Jahrzehnte im herkömmlichen Fußballtraining etabliert und wurden schon absolviert, als David Beckham noch stündlich die Frisur wechselte und Oliver Kahn seine eigenen Abwehrspieler durch den Strafraum prügelte.

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Um jedoch nicht in apathische Trainingsroutine zu verfallen, ist es essenziell, abseits der erwähnten Trainingsklassiker innovative Methoden anzuwenden, um neue Trainingsziele zu erreichen. An diesem Punkt kommen schließlich die sogenannten „Provokationsregeln“ ins Spiel.

Was versteht man unter den Provokationsregeln und warum sollte man sie regelmäßig ins Training integrieren?

Provokationsregeln werden vom Trainer in Trainingsspielen integriert, um seiner Mannschaft ein bestimmtes Spielverhalten aufzuzwingen bzw. um es zu „provozieren“ (daher auch die Bezeichnung). Konkrete Beispiele hierfür wären unter anderem eine Begrenzung der Ballkontakte, eine numerisch festgelegte Passfolge vor dem Torabschluss, Dribbellinien oder auch imaginäre Tabuzonen, welche während des Spieles gemieden werden müssen. Primäres Ziel dieses Trainingskonzepts ist es also die Komplexität des Spiels zu erhöhen, beziehungsweise dorthin zu verlagern, wo die Mannschaft Defizite aufweist, um dadurch neue Trainingsreize zu setzen. Dass durch diese vielseitigen Spielvariationen auch der mannschaftsinterne Spaßfaktor gesteigert wird, ist dabei ein positives Nebenprodukt.

Anbei ein paar Beispiele diverser Provokationsregeln

Dribbellinien

Bei dieser Form der Provokationsregel wird das Spielfeld in verschiedene Zonen eingeteilt, welche nur, wie der Name schon verrät, mittels Dribbling betreten werden dürfen. Eine Möglichkeit wäre, dass man die Mittellinie nur dribbelnd passieren dürfte, um in die gegnerische Hälfte zu gelangen. Dadurch würde der Trainer hohe, unpräzise Zuspiele seiner Mannschaft eliminieren und stattdessen automatisch vermehrt 1-gegen-1-Situationen herbeiführen.
Eine andere Option wäre es, die Strafraumlinie als Dribbellinie zu statuieren. Das Resultat dieser Provokationsregel wiederum wäre, dass die Stürmer den Angriff innerhalb des Strafraums nur mit einem Dribbling abschließen dürften. Diese Provokationsregel würde also die technischen Fertigkeiten der Stürmer schulen.

Tabuzonen

Tabuzonen stellen für den Trainer ein ausgezeichnetes Mittel dar, um das Spiel in die von ihm favorisierten Bereiche des Feldes zu lenken. Liegt es zum Beispiel im Interesse des Trainers das Flügelspiel seiner Mannschaft zu forcieren, erklärt er einfach kurzerhand den Mittelkreis als Tabuzone. Das Spiel würde sich dabei automatisch auf die Außenflügel verlagern.
Eine weitere Option wäre es den Strafraum als Tabuzone zu erklären, um das Abschlussspiel der Stürmer zu provokationsregeln-2beeinflussen. Aus dieser Maßnahme würden im Umkehrschluss vermehrt Weitschüsse und Außenflanken resultieren.

Ballkontaktbegrenzung

Die Vorteile dieser Facette einer Provokationsregel ist die Förderung des Kombinationsspiels und die parallele Unterbindung von Alleingängen. Durch die Begrenzung von Ballkontakten müssen die Spieler den Ball häufiger abgeben, was einerseits zu einer Erhöhung der Spielgeschwindigkeit führt und andererseits ungemein das Mannschaftsgefüge fördert.
Um diese Provokationsregel auf die Spitze zu treiben, könnte der Trainer auch festlegen, dass vor Torabschluss jeder Spieler – vom Tormann bis hin zum Torschützen – einen Ballkontakt haben müsste, um das Tor geltend zu machen.

Festgelegte Anzahl von Pässen vor Torabschluss

Ist es das primäre Ziel des Trainers die Ballzirkulation zu steigern, um dadurch einen kontrollierten Spielaufbau der angreifenden Mannschaft herbeizuführen, stellt die numerische Festlegung von Pässen, welche vor Torabschluss absolviert werden muss, eine adäquate Methode dar. Setzt der Trainier die erlaubte Anzahl an Pässen sehr niedrig an, müssen sich die Mitspieler ohne Ball viel mehr bewegen, um in eine attraktive Anspielposition zu gelangen. Dadurch wird die Bewegung ohne Ball forciert. Erhöht der Trainer hingegen das Kontingent an erlaubten Pässen, so wird das Spiel beruhigt und in kontrollierte Bahnen gelenkt. Dabei kann der Trainer die Anzahl der Pässe in der eigenen Spielhälfte, als auch in der gegnerischen Hälfte unterschiedlich festlegen (z.B. 10 Pässe in der eigenen Hälfte, 5 Pässe in der gegnerischen Hälfte) und somit Akzente setzen.

Einflussnahme auf die Spielfeldkonzeption

Bei dieser Art der Provokationsregel kann der Trainer durch die Einflussnahme auf die Ausrichtung des Spielfeldes das gewünschte Trainingsziel herbeiführen. Möchte er zum Beispiel das vertikale Spiel seiner Mannschaft forcieren, so begrenzt er einfach die Breite des Spielfelds mit Hütchen. Ist aber genau das Gegenteil, nämlich die Verlagerung des Spiels auf die Flügelspieler sein Ziel, so wird er das Spielfeld verbreitern. Die Spieler werden automatisch versuchen den Druck der Gegner in der Spielfeldmitte außen zu umgehen.

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Pässe nur in Kniehöhe

Um die technischen Fertigkeiten seiner Spieler bei der Ballannahme zu intensivieren, könnte die Prämisse aufgestellt werden, dass die Pässe ausschließlich in Kniehöhe erfolgen dürfen. Ob Champions-League-Gewinner, oder heimischer Bolzplatzmatador, jeder halbwegs versierte Fußballer muss in der Lage sein auch Zuspiele dieser Art umgehend verarbeiten können.

Torabschluss ausschließlich per Kopf

Diese Provokationsregel könnte der Trainer in sein Übungssortiment aufnehmen, wenn die Mannschaft kopfballschwach ist und in Folge dessen dazu tendiert bei Standardsituationen kontinuierlich den Kürzeren zu ziehen.

Der Torwart darf den Ball nicht über die Mittellinie ausschießen

Ergibt die Spielanalyse des Trainers zum Beispiel Defizite im Spielaufbau, so wird er diese Provokationsregel anwenden, um einen systematischen Spielaufbau zu garantieren. Wenn der Torhüter zu kurzen Abstößprovokationsregelnen gezwungen ist, wird die Abwehrreihe automatisch in den Spielaufbau integriert und nicht durch hohe Abstöße umgangen.

Tore von Mittelfeldspielern zählen doppelt

Diese Provokationsregel ermutigt die Mittelfeldspieler beim Angriff mit nach vorne zu gehen und sich am Kreieren von Torchancen zu beteiligen.

Jene neun Varianten, die gerade erläutert wurden, stellen natürlich nur einen minimalen Auszug aus dem möglichen Reservoir an Provokationsregeln dar. Die Fülle an Variations- und Kombinationsmöglichkeiten scheint dabei schier endlos zu sein. Je nachdem, wo der Trainer noch Verbesserungspotential im Spiel seiner Mannschaft sieht, werden die Provokationsregeln konzipiert.

Nochmals alle Vorteile von Provokationsregeln auf einem Blick

  • Herbeiführung konkreter Spielsituationen
  • Provokationsregeln als Alternative zum trockenen Taktiktraining
  • Training expliziter mannschaftsinterner Schwächen (z.B. Passspiel, Torabschluss, Flügelspiel)
  • Vielfältige Kombinations- und Variationsmöglichkeiten
  • Mehr Abwechslung im Training
  • Neue Trainingsimpulse
  • Durchbrechung monotoner Trainingsstrukturen

Nachteile von Provokationsregeln

Wie bei so vielem existieren auch bei den Provokationsregel zwei Seiten der Medaille und somit sind auch sie nicht gegen Kritik immun. Zu den schwerwiegendsten Vorwürfen zählt, dass Provokationsregeln nicht die Spielrealität abbilden und somit nur geringfügig sinnvoll seien. Egal wie stark man auch versucht Spielsituationen durch Provokation herbeizuführen bzw. nachzustellen, das Ergebnis wird nie zu 100 Prozent deckungsgleich mit der tatsächlichen Spielsituation im realen Match sein. Zudem wird kritisiert, dass durch die Erzeugung künstlicher Spielsituationen die Kreativität und die natürliche Spielintelligenz der Mannschaft unterbunden werden würde. Viele Trainer verzichten daher auf die Anwendung solcher Provokationsregeln.

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Nochmals alle Nachteile von Provokationsregeln auf einem Blick

  • Ermöglichen nur einseitiges Training
  • Künstlich erzeugte Spielsituationen
  • Können nie zu 100% die tatsächliche Spielrealität wiederspiegeln
  • Unterbinden einen kreativen Spielaufbau

Fazit zum Thema Provokationsregeln

Auch beim Einsatz von Provokationsregeln macht die Dosis das Gift. Ohne Zweifel ist der gelegentliche Einsatz von Provokationsregeln, um die Monotonie im Training zu durchbrechen und neue Trainingsziele zu schaffen, uneingeschränkt zu empfehlen. Das sukzessive Training gezielter, künstlich erzeugter Problemsituationen durch Provokationsregeln kann als Prävention dienen und wird auch, sofern kontinuierlich in Trainingseinheiten integriert, auf längere Sicht in den realen Spielsituationen seine Früchte tragen.

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