Der Schock
Der Kreuzbandriss von Sami Khedira und dessen möglicher Ausfall für die WM ist eine sehr schlechte Nachricht für die Nationalmannschaft. Wie kein anderer Spieler hat Khedira in den vergangenen Jahren das deutsche Mittelfeld auf der Sechs gestärkt.
Sicher, wenn man die Namen durchgeht, dann klingt es erst einmal wie ein Luxusproblem, einen Mittelfeldspieler in der deutschen Nationalmannschaft ersetzen zu müssen. Müller, Kroos, Özil, Schürrle, Reus, Götze. Das Problem dabei ist: die Sorgen des Bundestrainers drehen sich nicht so sehr um das gestaltende Element im offensiven Mittelfeld, in dem es zudem noch Sidney Sam und Julian Draxler gibt. Nein, es geht um die Position des so genannten Sechsers, von dem Löw immer gern zwei parallel auf dem Platz hat. Spieler, die den gegnerischen Angriff bremsen, ihn bestenfalls mit einer Balleroberung stoppen und dann sofort den Gegenangriff einleiten. Spieler wie Schweinsteiger, Gündogan, die Bender-Zwillinge. Oder eben Sami Khedira.
Der hat sich beim 1:1 in Mailand gegen Italien das Kreuzband gerissen, und dass so eine Verletzung nicht innerhalb weniger Monate kuriert und der Spieler fit wie eh und je zurück auf dem Platz ist, weiß so ziemlich jeder, der sich auch nur ein bisschen mit Sportverletzungen auskennt. Die langfristigen Ausfälle von Schweinsteiger und Gündogan, von denen niemand weiß, wann sie auf das Spielfeld zurückkehren werden, waren schon schlimm genug. Aber dass Löw in Brasilien womöglich nicht auf Khedira zurückgreifen kann, ist mit die schlimmste aller Hiobsbotschaften, die die Nationalelf erreichen konnte. Das zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit.
Khedira vereint viele Fähigkeiten
2010 in Südafrika wurde Khedira erst durch die Verletzung von Michael Ballack zum Stammspieler neben einem damals überragenden Schweinsteiger, an dem sich der damalige VfB-Spieler (er wechselte nach der WM nach Madrid) aufrichten konnte. Mit einem straken Turnier sicherte sich Khedira auch nach dem Turnier den Stammplatz, er ist bei Madrid unheimlich gereift, spielt kluge Pässe in die Spitze und taucht nun auch in der Nationalelf öfter vor dem Tor auf. Es ist dies der letzte Qualitätssprung, der ihm noch gefehlt hatte. Bei der EM 2012 war Khedira Deutschlands Bester, der angeschlagene Schweinsteiger konnte froh sein, Khedira als defensiv stabilisierendes und offensiv mitdenkendes Element neben sich zu haben.
Für Löw ist es auch taktisch ein wohl größeres Problem, Khedira ersetzen zu müssen. Während Schweinsteiger oft und zu Recht defensiv denkt und Gündogan eher offensiv, hat Khedira beide Fähigkeiten zugleich, und er kann sie in die Tat umsetzen. Zudem setzt er Zeichen, er foult auch mal, wenn es notwendig ist, während die Bender-Zwillinge hier noch zu brav wirken. Und Khediras offensive Aktionen sind zunehmend durchdachter geworden. Bliebe noch Kapitän Lahm auf der Sechs, doch eigentlich braucht Löw Lahm auf der Position des Außenverteidigers. Die Baustellen würden damit kaum kleiner.