Erfolgreich nach Flanken! Das strategische Flankenspiel der Top-Teams
Der Artikel analysiert das Flankenspiel europäischer Top-Mannschaften. Daraus abgeleitet 5 Strategien, die Fußballtrainer dabei unterstützen sollen, die Flankenqualität des eigenen Teams zu verbessern.
„Flanke, Kopfball, Tor!“ – Dieser Spielzug klingt so unkompliziert, dass er es sogar in eine Passage in einem WM-Lied von 2006 schaffte. Tatsächlich sind die ersten beide Schritte dieses Musterangriffs auch nicht schwer in die Tat umzusetzen – die starke Fokussierung auf die Feldmitte beim Spiel gegen den Ball sorgt für mehr Platz auf den Außenbahnen. Dadurch ist genug Raum vorhanden, um Flanken vors Tor zu schlagen und einen Kopf zu treffen – im besten Fall den eines Mitspielers.
Die Effektivität von Flanken
Nur der dritte Schritt des Spielzugs bereitet Schwierigkeiten – in den europäischen Top-Ligen führt laut einer Studie nur 1 von 92 Flanken zu einem Tor. Das klingt erstmal nach einer ziemlich mageren Ausbeute. Jedoch darf nicht vergessen werden, dass von Flanken auch eine sehr hohe Gefahr von Treffern nach 2. Bällen ausgeht – besonders dann, wenn das angreifende Team eine clevere Raumaufteilung findet.
Zusätzlich sollte noch beachtet werden, dass die Erfolgsaussichten von Flanken nicht grundsätzlich gleich groß sind. Der Raum, aus welchem die Hereingabe gespielt wird, sowie der bespielte Raum haben einen erheblichen Einfluss auf das Gefahrenpotential einer Flanke. Dabei lassen sich grundsätzlich 3 Punkte festhalten:
• Flanken von der Grundlinie sind besonders effizient
• Halbraumflanken sollten auf den 2. Pfosten gespielt werden
• Flanken werden effektiver, wenn die Entfernung zur Seitenauslinie zum Tor zunimmt
Quelle: https://www.statsperform.com/resource/the-art-of-crossing/
Die richtige Strategie für das Flankenspiel
Die Erfolgsquote von Hereingaben kann also gezielt verbessert werden, indem diese genannten Faktoren berücksichtigt werden. Flanken sollten also nicht wahllos gespielt werden, sondern einer klaren Strategie folgen.
Die Strategien beim Flankenspiel einiger europäischer Top-Teams haben sich dabei als besonders effizient erwiesen. Diese Angriffsmuster beim Spielen von Hereingaben möchten wir mit euch genauer unter die Lupe nehmen – in diesem Beitrag stellen wir euch 5 Möglichkeiten vor, die Erfolgsquote von Flanken gezielt zu verbessern.
1.) Halbraumflanke mit dem Überladen des 2. Pfostens
Ausgangssituation: Im Champions-League-Finale zwischen Paris und Bayern wird ein Pass von einem PSG- Verteidiger geblockt. Der Ball landet direkt vor den Füßen von Kimmich. Der ballferne Flügelspieler Coman ist bereits in der „Box“ und Lewandowski zeigt an, in welchen Raum der Ball gespielt werden soll – den Raum vor dem 2. Pfosten.
Kimmich spielt die Hereingabe gefühlvoll in Richtung des 2. Pfostens. Dort laufen Coman, Lewandowski und der nachrückende Goretzka ein. Lediglich ein Verteidiger von Paris hat Zugriff auf die 3 Spieler von Bayern. Die 3-gegen-1- Überzahl am 2. Pfosten zahlt sich aus und Coman erzielt den 1:0-Siegtreffer mit dem Kopf.
Anmerkung: Bayern München hat den Raum am 2. Pfosten gezielt überladen, um dort eine Überzahl herzustellen. Dieser Raum wurde dann gezielt bespielt und die Überzahl erhöhte natürlich die Chancen auf einen Abschluss der Bayern.
2.) Mit Dynamik in die Box kommen
Ausgangssituation: Gnabry kappt im Spiel Bayern gegen Dortmund ab, um eine Hereingabe mit seinem „starken“ rechten Fuß vorzubereiten. Der BVB verteidigt den Strafraum mit einer Raumverteidigung. 2 Spieler des FCB laufen bereits in die „Box“ ein. Lewandowski wartet dagegen außerhalb des Strafraums, indem er sich parallel zur Grundlinie auf die Höhe des 2. Pfostens bewegt.
Gnabry spielt eine Flanke in den Raum am 2. Pfosten. Wieder hat Bayern eine Überzahl in diesem Raum. Lewandowski beläuft die Lücke zwischen dem rechten und mittleren Verteidiger. Diese werden von Müller und Sarr gebunden.
Die Flanke landet bei Robert Lewandowski, welcher in den Ball einspringt und ein Kopfballtreffer erzielt.
Anmerkung: Als die Flanke im Strafraum ankommt, sind fast alle Spieler bereits zum Stehen gekommen. Nur Lewandowski läuft erst mit der Flanke in den Strafraum ein. Dadurch kann er aus der vollen Bewegung zum Kopfball gehen. Das hat gleich 3 Vorteile:
• Aus der Bewegung lässt sich höher springen.
• Ein Spieler in der Bewegung ist schwerer zu decken.
• Ein Spieler der aus der Bewegung zum Kopfball geht, hat besser Chancen im Luftzweikampf.
• Der Ball kann druckvoller geköpft werden.
3.) Lauffinten, um Gegenspieler abzuschütteln
Ausgangssituation: Paris hat den Ball auf der linken Außenseite. Noch ist die Box komplett unbesetzt. Cavani startet jedoch in Richtung des 1. Pfostens und wird von einem Verteidiger von Celtic verfolgt.
Kurz bevor die Hereingabe gespielt wird, führt Cavani einen Richtungswechsel durch und startet zum 2. Pfosten.
Der Celtic-Verteidiger kann nicht mehr rechtzeitig reagieren und Cavani kann sich ausreichend absetzen. Am 2. Pfosten köpft der Angreifer von Paris mit einem Flugkopfball ein.
Anmerkung: Lauffinten sein ein gutes Mittel, um Gegenspieler abzuschütteln, welche in einer Manndeckung agieren. Besonders dann, wenn die 4 folgenden Tipps berücksichtigt werden:
• Lauffinte kurz vor der Hereingabe einsetzen.
• Lauffinten mit einem Tempowechsel durchführen.
• Lauffinten einsetzen, wenn der Verteidiger den Angreifer nicht im Blickfeld hat.
• Vor der Lauffinte Körperkontakt zum Verteidiger aufbauen, um diesen in Sicherheit wiegen.
4.) Der ballferne Außenverteidiger – nicht im Blickfeld der Abwehr
Ausgangssituation: In der Begegnung Liverpool gegen Arsenal hat Trent Alexander-Arnold den Ball auf seiner rechten Seite. In der Box stehen bereits 3 Verteidiger der Londoner, sowie 2 Angreifer der „Reds“. Der ballferne Außenverteidiger Robertson schleicht sich in Richtung des 2. Pfostens.
Der Rechtsverteidiger Arnold flankt auf den linken Verteidiger Robertson. Dieser verarbeitet den Ball und erzielt mit dem 2. Kontakt ein Treffer aus kurzer Distanz.
Anmerkung: Robertson hat enorm viel Raum am 2. Pfosten, da er als ballferner Außenverteidiger nicht im Sichtfeld der Abwehr lag und somit unbemerkt blieb. Als Abwehrspieler ist es sehr schwer, den Ball und den ballfernen Außenverteidiger des Gegners im Auge zu behalten, da ein Blickfeld von 180 Grad abgedeckt werden muss.
5.) Grundlinienflanke und gute Rückraumbesetzung
Ausgangssituation: Bernado Silva von Manchester City wird im rechten Halbraum angespielt. Sein Mitspieler Sterling bewegt sich parallel zur Kette und deutet an, dass der Portugiese den Ball in die Tiefe weiterleiten soll. In der Folge leitet Silva den Ball direkt in Richtung Grundlinie zu Sterling weiter.
Sterling erläuft den Ball und hat direkt mögliche 3 Optionen für eine Hereingabe:
1.) ein flaches Zuspiel zu Agüero
2.) eine Flanke zu Sane
3.) eine Flanke auf den 2. Pfosten zu dem einlaufenden David Silva
Sterling entscheidet sich für ein hohes Zuspiel auf den 2. Pfosten. Dort kann David Silva den Ball volley im Tor unterbringen.
Anmerkung: In der letzten Abbildung wird deutlich, dass Manchester City den Rückraum voll unter Kontrolle hatte. Fernandinho und Bernado Silva sind in zentraler Position, kurz hinter dem Strafraum. Hätte ein Verteidiger des FC Southampton die Flanke klären oder ein Abschluss blocken können, wäre der 2. Ball sehr wahrscheinlich bei einem der beiden City-Spieler gelandet.
Schlussfolgerungen für das Flankenspiel der eigenen Mannschaft
Hereingaben von außen sind kein besonders effektives Angriffsmittel – jedoch nur, wenn diese ohne klaren Plan gespielt werden. Damit die Flanken deiner Mannschaft zu direkten Toren oder zu Treffern nach 2. Bällen führen, kannst du folgende Punkte berücksichtigen:
• Lauffinten einsetzen (Tempowechsel, nicht im Blickfeld des Verteidigers, kurz vor der Hereingabe)
• Ein einlaufender Spieler ist schwerer zu verteidigen als ein stehender Spieler.
• Halbfeldflanken auf den 2. Pfosten spielen.
• gegen Raumdeckung: Räume überladen und diese gezielt bespielen.
• gegen Raumdeckung: Räume zwischen den Verteidigern belaufen.
• Rückraum ausreichend besetzen, um die Chance auf einen 2. Ball zu erhöhen.
• Flanken werden effektiver, wenn die Entfernung zur Seitenauslinie zum Tor zunimmt.
• von der ballfernen Seite einlaufen (schwer zu verteidigen, da nicht im Blickfeld der Abwehr)
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Autor: Luis Österlein