Fußball-EM: Ilkay Gündogan sorgt für Schlüsselmoment
Die EM läuft gerade erst knappe 24 Stunden und das Deutsche Team hat in seinem ersten Spiel Schottland mit 5:1 besiegt – ein zweifelsohne souveräner Auftritt und mehr als gelungener Auftakt. So ist es wenig verwunderlich, dass sich bereits heute die Meldungen über ein Sommermärchen 2.0 und eine grenzenlose Euphorie häufen.
Wir wollen mit unserer kleinen EM-Begleitung aber weniger die emotionale Seite des Heim-Turniers betrachten, sondern vielmehr einzelne Schlüsselszenen inhaltlich beleuchten und überlegen, welche Trainingsmöglichkeiten sich bieten. Ihr bekommt deshalb nach jedem Spiel der deutschen Mannschaft neben der Analyse einer Szene gleich drei Trainingsformen, die den Inhalt aufgreifen und die ihr mit eurer Mannschaft ausprobieren könnt.
Gündogan mit optimaler Spielfortsetzung
Analyse: Mit dieser ersten Analyse machen wir den Auftakt und betrachten als Schlüsselmoment das 2:0 durch Musiala und den Entstehungsmoment bei dem tiefen Pass von Gündogan auf Havertz. Gündogan erhält mit dem Pass von Kroos auf Höhe der Mittelinie einen scharfen Ball, den er in bestechender Manier mit einer Bewegung vom Gegenspieler abschirmt, ihn unter Kontrolle bringt und ihm zeitgleich die Richtung für die tiefe Spielfortsetzung verleiht. Dies alles mit dem ersten Kontakt, der trotzdem das hohe Tempo des Spielzugs beibehält.
Quelle: zdf.de/sport/sportstudio-live
In der Folge entsteht eine temporeiche 4vs4 Situation, die Gündogan mit dem tiefen Zuspiel auf Havertz löst und damit das 2:0 einleitet. Wieso kann / muss er diesen Ball aber so verarbeiten und spielen? Schottland schob insbesondere in der ersten Hälfte sehr weit auf und bot in den Umschaltmomenten Deutschland viel Raum hinter der letzten Kette für tiefe Bälle. Bei längeren Ballbesitzphasen Deutschlands hätte die Gefahr bestanden, dass sich die Schotten bis in ihren 16er zurückziehen und auf Konteraktionen lauern. Entscheidend wurde es also, aus dem enorm hohen Ballbesitz (sowie im Umschaltmoments des deutschen Ballgewinns) mit schnellen Tempovorstößen viel Tiefe zu überbrücken, um den Raum hinter der Abwehrreihe zu nutzen.
Kroos und Gündogan gelingt dies in der Szene durch einen Pass, der das schottische Pressing überspielt, einen ersten Kontakt, der das Tempo hält und einen Tiefenball, der Havertz in Aktion bringt. Und mit den folgenden drei Formen könnt ihr diese Aktion auch in eurem Training aufgreifen:
Trainingsform: 4vs4 im doppelten 16er als Umschalt-Fluss-Spielform
Einführen – Übung 1: „Torbellino“
Material
4 Minitore
8 Muldenhauben
1 Fußball je Spieler
ausreichend Leibchen
Ablauf
2 Teams stehen jeweils zwischen den Minitoren der beiden Seiten eines FUNINO-Feldes (ca. 20x15m). Ein 3vs3 beginnt zwischen beiden Teams. Geht der Ball ins Aus, wird eingespielt. Ergibt sich aus dem 3vs3 ein Torerfolg, muss der Spieler, der das Tor erzielte, das Feld verlassen (2vs3). Dies wiederholt sich bei Torerfolg bis zum 1vs1. Wer das letzte Tor erzielt, gewinnt.
Variation 1
Zu Beginn wird im 1vs1 gespielt und jeweils zu dem Team, das ein Tor kassiert, kommt ein Spieler hinzu. Das Team, das zuerst 3 Tore erzielt, gewinnt.
Variation 2
Kann ein Team eine Defensivaktion erfolgreich gestalten (Ballgewinn) und ein eigenes Tor erzielen, darf ein eigener Spieler / muss ein Gegenspieler das Feld verlassen.
Coaching
Bei Ballverlust/-gewinn müssen die Spieler schnellstmöglich umschalten. Sie sollen schnellstens eine eigene Ordnung herstellen und die Tiefe suchen (OFF) bzw. die Tiefe schließen (DEF). Deshalb ist eine ständige Kommunikation und Aktivität erforderlich.
Schulen – Übung 2: „2vs1 Umschaltduelle“
Material
2 Großfeldtore
1 Fußball je Spieler
8 Muldenhauben (2 Farben x 4 Stk.)
Ablauf
Die Spieler sind in 2er-Team eingeteilt und an den 4 Torpfosten positioniert. Zu Beginn startet ein 2er-Team in das Feld (ca. doppelter 16er) und schließt auf das Tor gegenüber ab – der Schütze muss nach dem Schuss einen Pfosten abtippen, ehe er nachverteidigen darf. Im Moment des Schusses darf von dem anderen Tor das nächste Team mit Ball in das Feld starten und gegen den einen Verteidiger aus dem letzten Team versuchen, im 2vs1 einen Torschuss herauszuspielen – es entsteht eine Flussübung. Bei Ausball spielt der Trainer einen neuen Ball ein; wird ein Ball pariert und das Tor verfehlt, zählt dies trotzdem als Torschuss.
Variation 1
Nach dem Torschuss muss der Mitspieler des Schützen den Pfosten abtippen, wodurch der Umschaltmoment für den Schützen entscheidend wird, um nachzuverteidigen.
Variation 2
Die Startposition wird variiert, sodass sich sehr breite/schmale Aufbausituationen für die Duelle ergeben bzw. ein versetzter Start erfolgt.
Coaching
Die Offensive soll versuchen, das 2vs1 Duell durch eine breite Annäherung zu lösen (DEF zu Entscheidung zwingen) und durch ein hohes Tempo die Überzahl zu halten (zweiter DEF kommt nicht ran). Die Defensive soll die seitliche Stellung und den Bogenlauf nutzen, um die Gegner auf eine Seite zu lenken (Raum verengen) und sie zu bremsen.
Anwenden – Übung 3: „4vs3 Umschaltduelle“
Material
2 Großfeldtore
1 Fußball je Spieler
8 Muldenhauben (2 Farben x 4 Stk.)
Ablauf
Adäquat zur Trainingsform „Schulen“ beginnt ein 4er-Team mit einem freien Angriff auf eines der Tore, nach dem der Schütze den Pfosten abtippen muss, ehe er nachstarten darf. Im Moment des Schusses starten 4 neue Offensive in die Gegenrichtung.
Variation 1
Nach dem Torschuss müssen der Schütze und ein Mitspieler beide Pfosten abtippen, wodurch der Umschaltmoment von Offensive zu Defensive entscheidend wird und für die neue Offensive eine doppelte Überzahlsituation entsteht.
Variation 2
Um den Umschaltmoment zu verringern und den bespielbaren Raum im Gegnerrücken zu vergrößern, müssen für den Torschuss alle Spieler eines Teams in die gegnerische Hälfte aufrücken.
Coaching
In der Offensive gilt es, die Breite zu halten, um Lücken in der defensiven Ordnung zu provozieren. Räume in der Tiefe sollten erst bespielt, dann belaufen werden (auch hinsichtlich der Abseitsregel). In der Defensive gilt es, den direkten Weg zum Tor zu schließen, Schussfenster zu verkleinern und gezielt den Ballführenden zu attackieren.
Autor: Sven Hertrampf / Redaktion: Goetz&Media | Sport