Abhängig vom Supertalent
Nun läuft in Brasilien also die Generalprobe für die WM im kommenden Jahr. Im ersten Spiel gelang den Gastgebern ein souveränes 3:0 gegen Japan. Doch ob die Brasilianer eine Mannschaft haben, die reif ist für den WM-Titel 2014, muss sich noch erweisen.
Wenn es einen Namen gibt, den die halbe Menschheit im Juni 2013 mit dem der Seleçao in Verbindung bringt, dann ist es der von Neymar. Über mehrere Wochen war der 21-Jährige Zeitungen füllendes Objekt. Erst sein Wechsel zum FC Barcelona, dann der Aufgalopp zum Confed Cup. Mit Neymar als Spieler, auf dem alle Hoffnungen ruhen. Dabei ist der Druck, der auf dem Dribbelkünstler lastet, enorm.
Denn er kann nicht, wie etwa 2002, auf mehrere Schultern verteilt werden. Damals trugen vier Spieler die Verantwortung: Rivaldo, Ronaldinho, Ronaldo und Roberto Carlos. Allerdings scheint Neymar mit Druck umgehen zu können. Beim Confed Cup-Auftakt gegen Japan erzielte er (nach neun torlosen Länderspielen) ein Traumtor zum 1:0. Seine Seleçao war damit auf der Siegerstraße, doch müssen die Brasilianer in den beiden verbleibenden Gruppenspielen gegen Mexiko und Italien mit Sicherheit deutlich mehr zeigen als gegen die zwar unermüdlichen, aber auch ungefährlichen Japaner. Vor allem die Squadra Azzurra überzeugte bei 2:1 über Mexiko am Sonntag. Und dass auch bei den Italienern ein Genie im Mittelfeld spielt, bewies der 34-jährige Andrea Pirlo einmal mehr. Einen Freistoß aus 27 Metern zirkelte er genau in den Winkel.
Neymar braucht Wettkampfhärte, in Europa bekommt er sie
Die kanariengelben Brasilianer suchen im Spiel fast immer Neymar – während bei Italien beispielsweise auch Montolivo und de Rossi im Mittelfeld das Spiel machen können. Ein taktisches Mittel gegen Brasilien könnte es sein, Neymar per Manndeckung aus dem Spiel zu nehmen. Zwar schaffen es die Trainer Scolari und Parreira inzwischen, etwas mehr Struktur ins Spiel zu bringen. Doch es ist so: Wenn Neymar keinen guten Tag erwischt, dann gilt das fast immer auch für die komplette Mannschaft. Denn dann kommen seine ansonsten cleveren Zuspiele nicht an, das Kombinationsspiel lahmt, mit seinen Dribblings bleibt er hängen, und auch Torgefahr geht kaum von ihm aus.
Dass der junge Mann riesiges Talent besitzt, steht außer Frage. Und vielleicht hilft ihm der Wechsel zu Barcelona schon im Hinblick auf die WM. Denn bis jetzt hatte er in Brasilien zu oft für die Galerie gespielt, lieber noch einen Hackentrick, noch einen Tunnel versucht. In Europa schauen die Verteidiger da nicht so lange zu. Rio Ferdinand, Jerome Boateng, Ricardo Cavalho, von denen lässt sich jeder nur einmal tunneln. Beim zweiten Versuch setzt es eine gewaltige Grätsche. Diese Wettkampfhärte fehlt Neymar, zumal sich seine Seleçao seit Jahren auch nur in Freundschaftsspielen misst – als qualifizierter Gastgeber der WM. Vielleicht kommt der Confed Cup für das Team gar nicht ungelegen.