FC Barcelona Frauen: Warum sind sie so erfolgreich?

Der FC Barcelona ist nicht nur ein Synonym für herausragenden Männerfußball, sondern auch für die beeindruckende Leistung der Frauenmannschaft, die unaufhaltsam die Fußballwelt erobert. Die FC Barcelona Frauen haben nicht nur die Herzen der Fans des Fußballs erobert, sondern auch zahlreiche Trophäen in ihre Vitrinen geholt. Mit einem bemerkenswerten Zusammenspiel von Technik, Taktik und Teamgeist haben diese Fußballerinnen nicht nur nationale, sondern auch internationale Bühnen erklommen.

In der abgelaufenen Spielzeit gewannen sie neben der Liga auch die Champions League. Dabei verloren sie in beiden Wettbewerben lediglich je ein Spiel. Die Damen in Blaugrana haben nicht nur das Erbe des Vereins aufgegriffen, sondern es auch in bisher ungeahnte Höhen getrieben. In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf die taktischen Mittel, die das Fundament für den eindrucksvollen Erfolg der Frauen des FC Barcelona bilden.

Grundformation der FC Barcelona Frauen

Die Frauen des FC Barcelona spielen im gleichen System wie die Herren: In einem 4-3-3 System. Dabei agieren sie aufgrund ihres intensiven Angriffspressings in den meisten Fällen in einer Manndeckung, sodass sich durch die Positionierung der Gegenspielerinnen auch ein 4-1-4-1 ergeben kann.

In der Offensive agieren sie ebenfalls aus einem 4-3-3 heraus auf. In Ballbesitzphasen ergibt sich dann primär ein 3-2-4-1 durch bestimmte Verschiebungen der Spielerinnen, die im Laufe dieses Artikels noch genauer analysiert werden.

Die Alternative dazu ist die „klassische“ Positionierung aus einem 4-3-3 in einem 2-3-2-3 sozusagen. Hierbei befinden sich die beiden Aufbauspielerinnen, also Innenverteidigerinnen allein auf der ersten Linie. Danach folgen die beiden Außenverteidigerinnen auf einer Ebene mit der 6. Auf der nächsten Ebene sind beide 8erinnen positioniert und auf der letzten Ebene eben die drei offensiven Spielerinnen. Durch den hohen Anteil an Ballbesitz ergab sich in der gegnerischen Hälfte meist eine Positionierung in einem 2-3-5, bei dem sich fünf Spielerinnen auf der letzten Linie aufhielten.

Spielaufbau gegen den Ball

Im Spiel gegen den Ball stellt der FC Barcelona gegnerische Torabstöße hoch und mannorientiert zu. Dabei gehen die Spielerinnen auf ihren jeweiligen Positionen hohe Risiken ein, indem sie aus ihren Ketten herausschieben und die Gegenspielerinnen verfolgen.

Für das Beispiel aus dem Standbild bedeutet das Folgende: Die Stürmerin und eine Außenstürmerin positionieren sich direkt am gegnerischen Strafraum. Die Außenstürmerin lenkt als erste Pressingspielerin ihre Gegenspielerinnen nach innen, wo die Stürmerin versucht, den Weg zuzustellen. Ist die Stürmerin die erste Pressingspielerin, lenkt diese die gegnerischen IVs nach außen zu den unterstützenden Außenstürmerinnen. Zu der 3er-Sturmreihe kommt meistens noch eine Außenverteidigerin hochgeschoben. Dies ist abhängig davon, welche Außenverteidigerin durch eine gegnerische Stürmerin gebunden wird.

Auch aus dem Spiel heraus agiert Barcelona meist aus dem Angriffspressing heraus und setzt seine Gegner beim Versuch spielerische Lösungen zu finden mit einer hohen Intensität unter großen Druck. Nur selten lassen sie sich in einen Mittelfeldblock zurückfallen und verschieben dann sehr eng und kompakt auf die jeweils bespielte Seite. In Pressingsituationen lenkt die Stürmerin nach außen auf eine unterstützende Außenstürmerin. In der Zwischenzeit positioniert sich die ballferne Außenstürmerin bei der ballfernen gegnerischen Innenverteidigerin. Dadurch verdichten sie den Raum und öffnen gleichzeitig die ballferne Seite für eine lange Seitenverlagerung des Gegners.

Spielaufbau mit Ball

Da der FC Barcelona durch ihr technisch anspruchsvolles, sauberes Kombinations- und Positionsspiel brilliert, ist der folgende Teil des Artikels über die Optionen in der Offensive besonders interessant.

Bei eigenem Torabstoß versuchen sie wenn möglich immer flach über die Innenverteidigerinnen herauszuspielen. Dabei haben sie die letzte Linie oft nur mit 1-2 Spielerinnen besetzt, um in den ersten Ebenen eine Überzahl schaffen zu können. Sie versuchen immer wieder Rauten zwischen Innenverteidigerin, Außenverteidigerin, 6 und 8 zu bilden.

In der Abbildung lässt sich ein üblicher Ablauf von Barcelona bei eigenem Torabstoß erkennen. Es fällt auf, dass es sich um eine asymmetrische Positionierung handelt. Die beiden Außenverteidigerinnen bieten sich flach an. Die linke 8 fällt neben die 6, um eine Doppelsechs vor dem eigenen Strafraum zu haben. Die linke Außenstürmerin rückt ein und füllt den Raum der linken 8. Dadurch ist der linke Flügel unbesetzt.

So haben sie Raum auf dem Flügel geschaffen, in den die Außenverteidigerin oder Stürmerin reinstarten kann. Durch die Überzahl am eigenen Strafraum und nur wenigen Spielerinnen auf der letzten Linie kann der Gegner gelockt und aus der eigenen Grundordnung herausgezogen werden.

Im „normalen“ Spiel mit dem Ball geben sich nun unterschiedliche Möglichkeiten, die kurz betrachtet werden sollen. Allgemein haben sie insgesamt ein sehr fluides Positionsspiel in allen Ebenen.

Durch eine bestimmte Abfolge an Rotationsbewegungen ergibt sich ein Aufbau aus einem 3-2-4-1 heraus. Dabei rückt die linke Außenverteidigerin hoch, die linke Außenstürmerin rückt in das Zentrum neben den rechter Achterin. Währenddessen ist die linke 8 neben die Sechserin abgekippt und sie geben zusammen erneut die Doppelsechs im Spielaufbau. Dadurch haben sie nicht nur eine extreme Breite im Spiel mit der linken Außenverteidigerin und der rechten Außenstürmerin, sondern haben das Zentrum mit 4 Spielerinnen überladen.

Da sie durch ihre technisch starken und pressingresistenten Spielerinnen im Zentrum profitieren, können sie das Mittelfeld mit kurzen Passdistanzen und Dreiecksbildungen schnell und oft auch sicher überspielen.

Durch gute Positionierungen der zentralen Spielerinnen in den Zwischenlinienräumen bringen sie die gegnerische Verteidigung immer wieder in Bewegung oder machen sich selbst anspielbar. Mit erneut kurzen Passdistanzen und wenig Kontakten im Zentrum strahlen sie so eine enorme Ballsicherheit aus und machen es dem Gegner extrem schwer, Pässe abzufangen oder in die Zweikämpfe zu kommen.

Eine weitere gern genutzte Option, um hinter die gegnerische Abwehrkette zu kommen sind „Third Man Runs“. „Third Man Runs“ im Fußball beziehen sich auf die Bewegungen eines Spielers, der sich in einer Spielsituation aktiv an der Ballbewegung beteiligt, indem er in den freien Raum läuft, um sich für einen Pass anzubieten oder eine Torsituation zu schaffen. Der „Third Man“ ist dabei oft ein Spieler, der nicht unmittelbar am Ball ist oder den Ball nicht direkt spielt, sondern sich strategisch positioniert, um eine zusätzliche Option für den Ballführenden oder für die Mannschaft zu sein.

Diese Art von Laufbewegungen kann dazu beitragen, die Verteidigung zu durchbrechen, den Spielfluss zu verbessern und Torchancen zu kreieren. In dem obigen Beispielbild wird der Ball von der linken Innenverteidigerin auf eine der zentralen Spielerinnen im Rücken der ersten Pressinglinie des Gegners gespielt. Bereits in diesem Moment startet eine Angreiferin in den Rücken der Abwehr, um ein Angebot zu geben.

Die angespielte Mittelfeldspielerin erkennt dies und kann den Ball nun mit einem direkten Zuspiel durch das Passfenster zwischen den beiden gegnerischen Verteidigerinnen spielen. So wurden alle Pressinglinien des Gegners innerhalb von Sekunden überspielt und man hat die eigene Angreiferin so in Szene setzen können, dass diese nun frei auf die gegnerische Torhüterin zuläuft.

Fußball Flipchart-Spielfeldblock

Offensives Umschalten

Eine weitere große Stärke des FC Barcelona ist das offensive Umschalten nach Ballgewinn. Dabei agieren sie sehr variabel im Umschaltspiel. Sie suchen schnell die nächste Spielerin mit Blick zum gegnerischen Tor. Anschließend sind sie bemüht, schnelle Steil-Klatsch Kombinationen nach vorne kreieren zu können. Sie nutzen jedoch auch diagonale Seitenwechsel und gelegentlich Chipbälle hinter die Kette. Ergibt sich keine der genannten Optionen, gehen sie in den normalen Ballbesitz über.

Einzelspieler FC Barcelona Frauen

Der FC Barcelona überzeugt nicht nur durch sein technisch und taktische guten Mannschaftsleistungen, sondern hat zudem auch noch sehr gute Einzelspielerinnen. Bei der diesjährigen Ballon d´or Féminin Wahl standen am Ende gleich 4 Spielerinnen des FC Barcelona unter den Top zehn, darunter auch die Gewinnerin Aitana Bonmatí. Die 1998 in Barcelona geborene Spielerin hat sich zu einer Schlüsselfigur im Frauenfußball entwickelt. Mit dem FC Barcelona hat Bonmati zahlreiche nationale Meisterschaften und Cups, einschließlich der Primera División Femenina, gewonnen. Ihr Team erreichte zudem das UEFA Women’s Champions League Finale, welches sie gegen den VfL Wolfsburg für sich entscheiden konnten und womit sie maßgeblich zu Barcelonas Position als Top-Team im Frauenfußball beitrug.

Die Stärken von Aitana liegen besonders in ihrer technischen Finesse, Ballkontrolle und Spielintelligenz. Als zentrale Mittelfeldspielerin beherrscht sie das Spielgeschehen, übernimmt defensive und offensive Aufgaben gleichermaßen und zeichnet sich durch präzises Passspiel aus. Ihre Torgefahr aus der Distanz und die Fähigkeit, entscheidende Momente im Spiel zu kreieren, machen sie zu einer vielseitigen und wertvollen Spielerin. Neben ihren fußballerischen Qualitäten besticht Bonmati durch ihre mentale Stärke. In Drucksituationen bewahrt sie Ruhe und Reife, während ihre Antizipationsfähigkeiten es ihr erlauben, den Spielverlauf zu lesen und im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ihre hohe Laufbereitschaft ermöglicht es ihr zudem, sich immer wieder gefährlich in den Angriff einzuschalten, indem sie „Third Man Runs“ macht.

Zusammenfassend verkörpert Aitana Bonmati nicht nur die Exzellenz des spanischen Frauenfußballs, sondern repräsentiert auch die vielversprechende Zukunft des Frauenfußballs im Allgemeinen. Ihre beeindruckenden Erfolge, herausragenden Leistungen und vielseitigen Fähigkeiten machen sie zu einer Schlüsselfigur und einer herausragenden Persönlichkeit in der Welt des Frauenfußballs.

Neben Bonmati befanden sich außerdem Salma Paralluelo, Fridolina Rolfö und Patricia Guijarro unter den 10 besten Fußballerinnen des letzten Jahres. Neben diesen Top-Spielerinnen hat der FC Barcelona auch noch die zweimalige Weltfußballerin Alexia Putellas in ihren eigenen Reihen. Nach einem erneuten Kreuzbandriss im letzten Jahr war sie für fast das gesamte Jahr verletzt. Dennoch hat sie in der vergangenen Zeit beim FC Barcelona ihren Teil zu den Erfolgen beigetragen.

FC Barcelona Frauen: Stärken und Schwächen

Als Fazit lassen sich verschiedene Stärken und Schwächen festhalten. Die größte Stärke der Frauen des FC Barcelona ist definitiv das variable Positionsspiel mit extrem ballsicheren und pressingresistenten Einzelspielerinnen. Das macht es dem Gegner unheimlich schwer in Ballbesitz oder Umschaltsituationen zu kommen.

Schwächen zeigen sie teilweise auf den Außenbahnen, wenn die Außenverteidigerinnen auf dem Sprung als Halbraumverteidigerinnen sind und so den Raum dahinter öffnen. Kann der Gegner das Angriffspressing überspielen, können ballfern ebenso die Räume ausgenutzt werden, da sie versuchen, den Raum auf Ballseite sehr zu verdichten.

Durch die Verbindung der angesprochenen mannschaftstaktischen Aspekte mit den herausragenden Einzelspielern auf dem gesamten Spielfeld ist es schwer, die Frauen des FC Barcelona stoppen zu können und sie zu schlagen. Sie gehören also nicht umsonst zu der Weltspitze im Frauenfußball.

Redaktion: Goetz&Media / Sport

Für das Training des 4-3-3 empfehlen wir die Trainingsserie „Spielaufbau im 4-3-3 System optimieren“, die hier heruntergeladen werden kann.