Hertha BSC: Keine Handschrift, keine Inspiration
Ohne sportliche Not hat Hertha BSC vor Weihnachten den Trainer gewechselt – das Verhältnis zwischen Markus Babbel und Manager Michael Preetz war zerrüttet. Mit dem neuen Übungsleiter Michael Skibbe aber gehen die Berliner wohl ein hohes Risiko ein.
Michael Skibbe könnte man einen vielgereisten Trainer nennen. Er war Coach bei Borussia Dortmund, beim DFB, bei Bayer Leverkusen. Dann bei Galatasaray Istanbul, Eintracht Frankfurt und Eskisehirspor. Seit dem 22. Dezember 2011 ist Skibbe also nun bei Hertha BSC, und er hat eine klare Mission: mit den Berlinern die Klasse halten. Jüngst aber konnte man sich wundern über die Aussage des Trainers, dass er im Falle des Scheiterns gehen werde; Skibbe tat das ohne große Not noch vor dem 0:2 zum Rückrundenauftakt in Nürnberg kund. Kurz vor Weihnachten noch klang das anders: „Die Hertha gehört ins obere Drittel der Bundesliga“, sagte er da. Und dass es „sehr gut“ drin sei, dass die Hertha nicht absteigen muss in dieser Saison. Was also stimmt nun? Und worin besteht das Konzept von Michael Skibbe?
Möglich wäre es, dass der gebürtige Gelsenkirchener über die Winterpause hinweg festgestellt hat, dass der Kader der Berliner Hertha nicht gut genug besetzt ist, um auch nur im mittleren Drittel der Bundesliga reüssieren zu können. Möglich wäre es ebenfalls, dass Skibbe tiefstapelt. Möglich aber auch, dass er seine Qualitäten einfach nur richtig einzuschätzen weiß. Als er im Jahr 2000 in Dortmund entlassen wurde, begann kurz darauf eine Hochphase der Borussia, mit zwei dritten Plätzen und der Meisterschaft 2001/02. Als Assistent von Rudi Völler war Skibbe von 2000 bis 2004 dabei, als die Nationalelf den Rumpelfußball erfand. Bei Bayer Leverkusen verpasste er trotz mehrerer Möglichkeiten die Champions League, und Eintracht Frankfurt konnte sich nach Skibbes Entlassung am 22. März 2011 nicht mehr vor dem Abstieg retten. Allein mit Galatasaray hatte er Erfolg.
Mehr Ballbesitz, aber keine Spielidee
Die taktischen Vorstellungen, die der Westfale vom Fußball hat, kennen auch wir nicht in ihrer Gänze. Fest steht jedoch, dass man als Beobachter der Szene seit 14 Jahren Gelegenheit genug hatte, die Früchte von Skibbes Arbeit zu betrachten. Um es klar zu sagen: Der Fußball, den er spielen lässt, besitzt keinen Wiedererkennungswert. Es ist kein Kurzpassspiel, das Skibbe aufziehen lässt, kein Konter- und erst recht kein Dominanzfußball. Die taktische Marschroute, die er vorgibt, mutet beliebig an – und austauschbar. Erste Beweise dafür lieferte die Hertha gleich am 18. Spieltag in Nürnberg.
Gegen einen gewiss nicht starken Gegner konnten sich die Berliner nur phasenweise behaupten, und das ohne nennenswerte Überlegenheit. Torchancen blieben Zufallsprodukte, die aus Fehlern der Nürnberger entstanden. Die Berliner vermittelten den Eindruck, nicht so recht zu wissen, wie sie sich auf dem Platz zu verhalten hatten. Nach der Führung der Franken, kurz vor der Pause, hatte die Hertha die ganze zweite Hälfte lang Zeit, um sich etwas einfallen zu lassen. Und der FCN tat den Hauptstädtern gar den Gefallen, über weite Strecken sehr passiv zu sein, die Berliner hatten in Durchgang zwei deutlich mehr Ballbesitz (insgesamt 58 Prozent). Aber letzten Endes eben nur eine Torchance durch Roman Hubnik, die aus einem Zufall heraus resultierte – und auch nicht genutzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hätte es allerdings schon 2:0 stehen müssen. Verblüffend mutete jedoch an, dass die Hertha sich nach der vertanen Chance in der 66. Minute bereits mit der Niederlage abzufinden schien. Nur in der vorletzten Spielminute, als die Partie schon längst entschieden war, hatten die Berliner, erneut durch Hubnik, die Chance auf den Ehrentreffer.
Der Hertha droht Ungemach
Es ist bezeichnend, dass trotz 58 Prozent Ballbesitz und einem recht schwachen Gegner nur ein Berliner Innenverteidiger zu Torgelegenheiten kam. Für das taktische Konzept von Skibbe freilich spricht das überhaupt nicht. Das Spiel der Hertha wirkte nicht nur ideenlos, es war es auch. Zwar hatte die Mannschaft nach etwa 20 Minuten erkannt, dass etwas mehr Aktivität dem eigenen Spiel zuträglich sein würde, doch mehr als drei kleine Chancen sprangen nicht dabei heraus – und herausgespielt waren die Tormöglichkeiten auch nicht gerade. Und was die Reaktion des Teams nach dem 0:1 betrifft, so muss man insbesondere den Trainer fragen, weswegen es den Anschein hatte, als sei die Hertha mit dem Zwischenstand vollauf zufrieden. Beinahe schon lethargisch und genügsam trat die Hertha in der zweiten Hälfte auf.
Sicher ist aber auch: Nach nur einem Spiel kann kein abschließendes Urteil über eine Mannschaft und deren Trainer gefällt werden. Skibbe hat noch 16 Spiele Zeit, um seine Kritiker Lügen zu strafen – und um die Klasse zu halten. Nichts anderes immerhin ist ja sein Maßstab. Doch Maßstab ist nun erst einmal dieses eine Spiel, und bis das Gegenteil bewiesen ist, muss festgestellt werden, dass der Fußball, den Babbel hat spielen lassen, von einer Spielidee inspiriert war, die allerdings manchmal aufgrund des fehlenden Potenzials der Mannschaft an ihre natürlichen Grenzen stieß. Von Skibbe ist noch keine Spielidee erkennbar, noch nicht einmal eine Handschrift. Gleichzeitig steht immer noch die Frage im Raum, warum er zuerst vom oberen Tabellendrittel und dann von einem möglichen Abstieg gesprochen hat. Der Einstand von Michael Skibbe in Berlin war, gelinde gesagt, unglücklich. Und es könnte sein, dass der Hertha mit Skibbe noch mehr Ungemach droht.